Tod für Don Juan
unleidliche Roscoe.»
«Raten Sie noch mal.»
«Ist ja auch egal. Ja, wir
hatten eine Meinungsverschiedenheit, aber wenn überhaupt jemand, dann hätte ich mich danach umbringen müssen, Inspector...»
«Ich weiß, es ist sehr schwer
für Sie, trotzdem muß ich Sie fragen — »
«— was sich zwischen Theo und
mir abgespielt hat.»
«Ja, Mrs. Williams.»
«Sheila. Und wie heißen Sie?»
«Morse. Niemand hat mich je
anders genannt.»
«Pech. Von Geben und Nehmen
kann bei uns ja wohl keine Rede sein...»
«Worum ging es bei der
Meinungsverschiedenheit zwischen Dr. Kemp und Ihnen, Mrs äh... Sheila?»
«Nur um mein Leben. Mehr
nicht.»
«Ja? Ich höre...»
«Das verstehen Sie ja doch
nicht. Sie sind bestimmt verheiratet, haben eine reizende Frau und zwei
bezaubernde Kinder...
«Ich bin Junggeselle.»
«Ist auch besser so. Für Männer
jedenfalls.» Sie leerte ihre Tasse und sah sich um, erst zornig, dann in
stiller Verzweiflung.
«Gin und Tonic?» fragte Morse.
«Warum nicht...»
Während Morse ihr (und sich)
einschenkte, sagte sie traumverloren, noch wie betäubt von dem eben Gehörten:
«Ich war mal verheiratet,
Morse. Aus dieser Zeit stammt das alles.» Sie deutete auf die Einrichtung.
«Hübsch», sagte Morse. Die
bröckelnde Hausfassade ließ kein so ansprechendes Innenleben vermuten, und er
überlegte kurz, ob es sich nicht bei Mrs. Williams selbst ähnlich verhielt.
«Ja, er hatte viel Geschmack.
Deshalb ist er auch von mir weg und hat sich eine andere genommen. Eine, die
nicht trinkt oder ihn in Verlegenheit bringt, die nicht launisch ist oder
stupide oder verrückt nach Liebe...»
«Und hat Dr. Kemp sich auch
eine andere genommen?» fragte Morse brutal, aber die Antwort kam ihm dann doch
unerwartet.
«Die hatte er ja schon längst
vor mir...»
«Wer-»
«Seine eigene Frau, verdammt
noch mal. Ständig hat er auf die Uhr gesehen und gesagt, er muß gehen und — »
Sie brach in Tränen aus, und
Morse ging ein wenig zögernd zum Sofa, rückte den Teddy zur Seite, legte seinen
rechten Arm um Sheilas Schulter, hielt sie fest und wartete, bis sie sich
ausgeweint hatte.
«Ist das nun der Schock oder
nur ein Kater?» fragte sie.
«Um diese Nachtzeit hat man
keinen Kater.»
«Es ist ja schon Morgen.»
«Auch nicht um diese Zeit am
Morgen.»
Sie schmiegte ihre nasse Wange
an sein Gesicht. «Sie sind so nett...»
«Und Sie wissen nicht, warum
Dr. Kemp —?»
«...sich hätte umbringen
sollen? Nein.»
«sollen...> habe ich nicht gesagt.»
«Soll das etwa —» Sie rückte
von ihm ab, und ihre Augen weiteten sich. «Soll das etwa heißen, daß er
ermordet worden ist?»
«Ganz sicher sind wir noch
nicht. Bitte antworten Sie mir jetzt ganz ehrlich: Kannten Sie jemanden, der
ihn möglicherweise gern umgebracht hätte?»
«Ja, Inspector, sie sitzt vor
Ihnen. Ihn — und seine Frau gleich mit.»
Morse löste sich behutsam von
Mrs. Williams. «Wenn Sie mir etwas zu sagen haben...»
«Glauben Sie etwa, ich hätte —
»
«Sie sind beobachtet worden,
wie Sie kurz nach dem Mittagessen die St. Giles’ Richtung North Oxford hochgingen.
Und zwar diesmal nicht von Mrs. Roscoe, sondern von Sergeant Lewis.»
«Stimmt. Ich war auf dem Weg
zum Bird and Baby. Dreimal dürfen Sie raten, was ich da wohl gemacht
habe...»
«Waren Sie allein in dem Pub?»
«J-ja.» Das Zögern war nicht zu
überhören.
«Aber Sie sind dort jemandem
begegnet?»
«Nein, das nicht. Ich sah
jemanden vorbeiradeln. Richtung
Banbury Road. Cedric Downes. Und
ich weiß, daß er mich gesehen hat.»
Morse schwieg.
«Sie glauben mir doch?»
«Eine der Grundregeln bei
polizeilichen Ermittlungen lautet, in einem Mordfall niemandem zu glauben,
nicht hundertprozentig jedenfalls. Zumindest am Anfang.»
«Sie haben mich doch nicht in
Verdacht?»
Morse lächelte. «Ich verspreche
Ihnen, Sie so schnell wie irgend möglich wieder von der Liste zu streichen.»
«Ich habe noch nie unter
Mordverdacht gestanden. Nett von Ihnen, daß Sie das so taktvoll handhaben.»
«Ich wäre Ihnen dankbar, wenn
Sie der Reisegruppe gegenüber Stillschweigen bewahren würden, bis wir ein Stück
weiter sind.»
«Im Augenblick sind Sie also noch
nicht sehr weit?»
«Nein.»
«Vielleicht könnten wir beide
ja das Thema noch ein bißchen vertiefen, Morse...» Mit den Fingern der linken
Hand spielte sie an dem obersten Knopf ihrer roten Bluse herum, und Morse hörte
die lockende Stimme dicht an seinem Ohr: «Noch einen kleinen
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