Tod für Don Juan
Ihnen würde ich das nie
unterstellen, Mrs. Roscoe, das dürfen Sie mir glauben.»
Offenbar besänftigt lehnte sich
Janet zurück, aber John Ashenden, der auf der anderen Seite neben Mrs. Moule
saß, warf ihr einen beunruhigten Blick zu. Und Morse fuhr fort: «Auf dem
betonierten Hof hinter der Wohnanlage in der Water Eaton Road stand ein
leichter Aluminiumschubkarren mit Gummirädern, den einer der Gartenarbeiter an
diesem Tag benutzt hatte. Gegen sieben, im Schutz der Dunkelheit, wurde die
Leiche in diesen Schubkarren gelegt, mit Plastiksäcken und einer dünnen Schicht
Herbstlaub zugedeckt und über die kleine Holzbrücke auf einem Trampelpfad
querfeldein bis zu dem rasch dahinfließenden Cherwell gefahren. Dort wurde die
Leiche unsanft ins Wasser gekippt. Und es war, wie gesagt» — Morse ließ seinen
Blick langsam über die Anwesenden gehen —, «jemand aus Ihrer Gruppe, der sich
dieser gräßlichen Aufgabe unterzog, und zwar ein Mann. Ein Mann, der keine
Bedenken hatte, den Toten zu entkleiden — denn es war viel Blut geflossen,
klebrig-unappetitliches Blut, und wer immer sich an der Leiche zu schaffen
machte, lief Gefahr, sich damit die Kleidung zu beschmutzen. Ein Mann, der
durch seine zehnjährige Tätigkeit als Leichenbestatter in Amerika in solchen
Dingen ziemlich abgehärtet war...»
Einige Zuhörer schnappten
vernehmlich nach Luft, es wäre kaum nötig gewesen, daß Morse hinzufügte:
«Jawohl, ich meine Eddie
Stratton.»
«Nein, Sir!»
Der Protest aus dem Hintergrund
veranlaßte die meisten, sich wieder umzudrehen, auch wenn die milde Stimme von
Phil Aldrich ihnen inzwischen wohlbekannt war.
«Sie haben meine und Eddies
Aussage, daß —»
«Ja, ich weiß, Mr. Aldrich, und
ich komme darauf gleich noch einmal zurück. Zunächst aber noch ein Wort zu
Stratton. Er hatte sich in seiner Branche auf die Verschönerung — wenn ich das
mal so sagen darf — von Leichen spezialisiert, die auf abstoßende oder
entstellende Art zu Tode gekommen waren. Bis vor etwa zwei Jahren war er
Junggeselle gewesen, dann hatte er die Witwe eines nicht ganz unbegüterten
Philanthropen kennengelernt und geheiratet. Die Ehe war vor allem eine
Interessengemeinschaft, eine Zweckverbindung. Eddie erledigte die Einkäufe,
machte die Gartenarbeit, reparierte Wasserleitungen, wechselte Sicherungen aus
und pflegte den gemeinschaftlichen Wagen. Laura — Laura Stratton, wie sie nun
hieß — war nicht unzufrieden mit dieser Regelung. Sie brauchte nicht mehr so
viel Angst vor Einbrechern zu haben, wurde zweimal in der Woche zu ihren
Terminen mit immer neuen Fußpflegern gefahren, war aller Haushaltssorgen ledig
und konnte sich voll und ganz (und möglichst gleichzeitig) ihren beiden
Leidenschaften widmen — dem Rauchen und dem Bridgespielen.
Auf beiden Seiten aber stellte
sich Enttäuschung ein, als endlich — nachdem die Anwälte einen schönen Schnitt
gemacht hatten — der Nachlaß des verblichenen Philanthropen mehr oder weniger
geregelt war. Die zahlreichen Kunstschätze waren sämtlich irgendwelchen
Sammlungen oder Galerien zugedacht, so daß die Aussicht, in Zukunft eine
finanziell gesicherte glückliche Vernunftehe führen zu können, in weite Ferne
zu rücken schien. Doch dann hatten die beiden — oder hatte Laura — eine Idee.
Der Wolvercote-Dorn war mit einer halben Million Dollar versichert. Wenn man
ihn nach England schaffen wollte, war es wohl am zweckmäßigsten, wenn jemand
ihn persönlich mitnahm. So einen Wertgegenstand der Brief- oder Paketpost oder
einem Kurierdienst anzuvertrauen, war in jedem Fall ein Wagnis. Die Strattons
übernahmen also den Transport ihres Kleinods selbst — und planten dabei fest
dessen Diebstahl ein. So jedenfalls war es vorgesehen. Daß der schöne Plan
schiefging, lag an dem nicht völlig unerwarteten, aber zeitlich sehr
ungelegenen Ableben von Laura Stratton, wobei für immer ungeklärt bleiben wird,
ob das Gefühl ihrer Mitschuld, Aufregung, schlechtes Gewissen... was auch
immer... ihren Tod bewirkte. Der Plan war simpel. Der Diebstahl sollte
unmittelbar nach der Ankunft im Randolph stattfinden. Laura würde so
laut über ihre schmerzenden Füße klagen, daß man sie an der Rezeption als
zweite — gleich nach Mrs. Roscoe — ab fertigen würde.»
Zum ersten Mal, seit Morse
seine Ausführungen begonnen hatte, zeigte sich auf den Mienen seiner Zuhörer,
die an die zäh verteidigte Vormachtstellung der ständig nörgelnden kleinen
Kalifornierin dachten, ein zögerndes
Weitere Kostenlose Bücher