Tod im Albtal
hatte sie irgendwann einmal gesagt, »muss ich deine Dienste noch ein paarmal in Anspruch nehmen. Damit ich nicht wie ein Bauerntrampel aus Ettlingen, sprich aus der Provinz, wirke. Die meisten dort wissen nicht mal, wo Ettlingen liegt. Sie kennen nur das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Du weißt ja, Horst ist in dieser Zukunftskommission im Innenministerium in Stuttgart. Das gilt anscheinend als Sprungbrett für Höheres.«
Friederike in der Berliner Politschickeria konnte man sich nur schwer vorstellen.
Wir selbst waren ja mehrfach im Jahr in der Hauptstadt. Mein Mann traf sich mit Kunden, und ich studierte Trends. Danach kamen wir gern ins ruhige Baden zurück und ließen uns mit einem Seufzer in die nett renovierte, verwinkelte Kleinstadtidylle mit ihren sauberen Puppenhäuschen zurückfallen.
Schon die Römer hatten es sich bei uns gemütlich gemacht. Lange bevor hinten im Tal die Klöster für etwas Zivilisation sorgten, hatten sie in ihren Hypokausten Wellnessgefühle genossen. Unter der Martinskirche kann man die Überbleibsel ihrer Lebenskunst bestaunen. Wann immer ich für meinen Mann und seine Rotarier das Damenprogramm organisierte und Besuch von außerhalb die lichten Deckenmalereien von Emil Wachter zeigte, führte ich die Besucher auch dahinunter. Man musste ja nicht gleich erzählen, dass es in Baden-Baden und Badenweiler stattlichere römische Wärmestuben gab. Und wenn die verwöhnten Unternehmergattinnen dann abends nach dem Diner auf den beleuchteten hölzernen Albbrücken standen, fühlten sie sich wie im Süden, waren zufrieden, und ihre Männer machten in Ruhe gute Geschäfte.
Ich ging in Gedanken noch einmal alle Anlässe mit Friederike durch, doch ich konnte wirklich keine auch noch so kleine Bemerkung von ihr, keine Eigenart finden, die des Mordens wert gewesen wäre. Und doch war sie nachweislich tot.
Also musste es einen dunklen Fleck in Friederikes Leben gegeben haben, den wir alle übersehen hatten. Welche Quelle könnte für mich sprudeln, die für Hagen und seine Leute trocken geblieben war? Schließlich hatten sie wochenlang in allen Winkeln von Friederikes Existenz gesucht. Anders gefragt: Wer würde der Polizei gegenüber eisern schweigen, wenn es um mich und mein Leben ging? Freundinnen. Elena zum Beispiel.
Vor allem die beste Freundin einer Frau sollte eigentlich immer – auch über den Tod hinaus – diskret sein, und in Friederikes Fall war das leider Beate Schreiber.
Die Tierarztgattin, eine recht dynamische kleine Person, die mehr hobbymäßig eine Buchhandlung für Kinder betrieb, war nicht gerade meine engste Bekannte. Wir wechselten höfliche Worte, doch wir mochten einander nicht.
Sie benahm sich übertrieben kinderfreundlich und hofierte gut situierte junge Mütter, die teure Bilderbücher bei ihr kauften. Ansonsten tat sie betont kultiviert, war eine mühsam getarnte Kettenraucherin und wäre eine gute Kundin für mich gewesen, denn auch sie hatte ein bemerkenswertes Talent, sich schlecht zu kleiden. Die Gute besaß in etwa die Figur eines Pflaumenmännchens – diese vertrockneten Dinger, die man früher Kindern in der Weihnachtszeit aufnötigte. Vor allem hatte sie keinen Hintern. Und dieses Nichts steckte sie dann leider noch in ausgeleierte Cordhosen, die zwar vielleicht sogar irgendwann einmal teuer gewesen waren, die man aber trotzdem deshalb nicht lebenslang tragen musste.
»Traust du dich nicht mehr in die Boutique von Frau Trost, oder suchst du etwa ein Geschenk?«
Auch Beates Humor war so trocken wie ein Pflaumenmännchen, er brachte nicht einmal sie selbst zum Lachen. Doch bei mir war sie an die Falsche geraten.
Seit meinen Jungmädchentagen verkehrte ich in der gehobenen Kaste und wurde von ihr hofiert. Mit den Jahren hatte ich mir eine gewisse Kühle und Schlagfertigkeit angewöhnt.
Ich setzte mein Drei-Sterne-Restaurant-Gesicht auf, von meinen Freundinnen »Albkönig-Gsicht’le« genannt, und versetzte kalt wie ein Wintertag auf dem Dobel: »Frau Trosts Boutique hat auch ein wenig an Niveau eingebüßt, findest du nicht? Dabei war das das einzige Geschäft, in das man in Ettlingen gehen konnte.«
Sie verzog das Gesicht.
»Nein, Beate, eine Freundin von mir ist recht spät noch Mutter geworden. Ihre kleine Tochter liebt Ratten. Hast du etwas über Ratten da?«
Ich hatte keine Lust, ein nutzloses Kinderbuch zu kaufen, und hier wähnte ich mich auf der sicheren Seite. Kinderbücher über Ratten hatte es jedenfalls in der guten alten
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