Tod im Albtal
mordet man doch nicht. Ihr Mörder war ein Mann, und er hat sie gut gekannt.«
»Wie Sie meinen! Ich bin beeindruckt. Bei der Auswahl von zwei Geschlechtern gleich das richtige entdeckt!« Hagen grinste.
Ich betrachtete ihn mit offener Abneigung. »Es gibt einen Grund für diese Tat. Doch er ist verborgen. Tief verborgen und für Polizistenaugen nicht erkennbar.«
Hagen lachte wieder rau und überheblich. Der Hund sah seinen Leitwolf anerkennend an.
»Von mir aus. Suchen Sie nach einem Motiv. Lassen Sie es nur meinen Chef nicht wissen. Also gut, wetten wir! Um ein Abendessen im ›Albkönig‹. Nur wir beide. Und Sie bezahlen.«
»Aber nur, wenn Sie sich anständig anziehen. Ich will nicht die andere Hälfte meines Rufes auch noch verlieren.«
»Sie würden sich wundern. Würden , nicht werden. Denn es wird nicht dazu kommen. Sie sind schön, und Sie könnten sicher jederzeit einen neuen reichen Typen auftreiben, der Ihnen die netten Klamotten finanziert, die Sie da spazieren tragen, aber niemals einen Verbrecher, den wir nicht aufspüren konnten. Wir haben die Sache mit Friederike Schmied nämlich richtig ernst genommen.«
»Wegen der Stellung ihres Mannes, nicht wahr? Aber ich werde mich um Friederike selbst kümmern und nicht um ihren Mann.«
»Viel Glück!«, sagte er.
* * *
Und so beschloss ich, Friederikes Mörder selbst aufzuspüren. Und zwar aus zwei ziemlich egoistischen Gründen: erstens, um mich bei jenen zu entlasten, die mich immer noch misstrauisch ansahen, wenn sie mir in der Stadt begegneten, und zweitens, um Hagen zu zeigen, dass ich nicht nur eine sprechende, sondern auch eine denkende Modepuppe war.
Und auf diese Weise fand ich tatsächlich eine Aufgabe, die mir wirklich Spaß machte!
Doch zunächst einmal fand ich mich der Realität gegenüber.
In Kriminalromanen sahen die Ermittlungen einer Privatperson in einem Mordfall immer so leicht aus wie Marmorkuchenbacken. Erkenntnisse, Verdächtige und der Polizei entgangene Hinweise pflasterten den Weg des Hobbyermittlers. Eins führte scheinbar mühelos zum anderen. Zeugen meldeten sich von allein, und Spuren, die bisher alle übersehen hatten, fielen wie Sternschnuppen vom Himmel. Und vor allem wussten die selbst ernannten Detektive immer, welcher von den lose hängenden Fäden der richtige war, um ihn zu fassen und am anderen Ende einen Mörder zu finden.
Ich hatte aber nicht die geringste Ahnung, wo ich anfangen sollte.
Ich habe Friederike nicht wirklich gut gekannt. Wir waren bei verschiedenen Anlässen zusammengetroffen, doch da sie mindestens fünfzehn Jahre jünger als ich und außerdem berufstätig gewesen war, hatten sich unsere Wege morgens auf dem Markt oder beim Joggen im Horbachpark selten gekreuzt. Früher hatte sie außerdem einen Hund, und ich konnte Hunde nicht leiden. Deshalb war ich ihr meistens aus dem Weg gegangen, wenn ich sie von Weitem sah. Ich wollte nicht unbedingt Pfotenabdrücke auf meiner sandfarbenen Basler-Ziegenlederhose haben. Bei den Sitzungen der »Freundinnen des Balletts« sowie bei denen der »Liebhaber des Staatstheaters«, an denen ich nur gelegentlich teilnahm, hatte ich sie natürlich immer wieder von Weitem gesehen.
Meistens waren das allerdings nur die typischen Bussi-Bussi-Begegnungen, denn sie steckte mit ihrem Bekanntenkreis, das heißt mit dem von Horst, zusammen, und ich saß mit meinen Leuten am Tisch. Sie hatte auf mich sowieso niemals besonders kunstinteressiert gewirkt, ihr Engagement fürs Theater schien mir eine Pflicht, die sie ihrem Mann zuliebe wahrnahm.
Deshalb erstaunte es mich, als sie sich um den Posten der Zweiten Vorsitzenden der Ballettfreundinnen bewarb. Ich sprach Elena einmal darauf an, doch sie sagte kein Wort dazu. Immer die korrekte Beinahe-Französin, äußert sie sich niemals zu Privatangelegenheiten ihrer Gönnerschaft. Sie zog nur die schmalen gezupften Augenbrauen hoch und lächelte ein wenig mitleidig.
Außer dass ich nicht wusste, wo ich beginnen sollte, standen mir natürlich auch keinerlei ermittlungstechnische Hilfsmittel zur Verfügung. Mein Mann war zwar Anwalt, aber er beschäftigte sich nur mit einträglichen Steuersachen, und überdies hatte er wenig Zeit.
Keine Zeit zu haben war eine seiner verlässlichsten Eigenschaften. Rückblickend musste man sich wundern, dass er überhaupt einen Termin finden konnte, um mich zu heiraten und eine Tochter zu zeugen. Friederikes Tod hatte ihn deshalb auch mehr geärgert als schockiert. Wegen des
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