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Tod im Albtal

Tod im Albtal

Titel: Tod im Albtal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Klingler
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kaputtzukriegen, die alten Unimogs drüben aus Gaggenau. Das war ihr Problem. Wer einmal so ein Wägelchen hatte, brauchte so schnell keinen neuen mehr. Ob Winterdienst in Tirol oder Böschungsbegradigung bei uns, die können alles. So eine Qualität ist schlecht für den Absatz von neuen Fahrzeugen!«
    Ich musterte das kleine, kompakte Gefährt in blassem Militärgrün leidenschaftslos. »Und Friederike und ihr Vater? Verstanden sie sich gut?«
    »Sehr gut sogar. Der Mann war geradezu vernarrt in das Kind. Feuerwehrautos interessierten ihn sehr – er war ja bei den Freiwilligen –, und er hat die kleine Fritzi, wie wir sie alle nannten, immer auf den Fahrersitz gehoben. Dann hat sie mit ihren Patschehändchen das Lenkrad umklammert und ›Tatütata‹ gerufen. Der Mann war wirklich sehr liebevoll und sehr geduldig mit seinem Töchterchen.«
    »Und das Kind? Mochte es ihn auch?«
    »Auch. Natürlich. Aber später war sie oft komisch, wenn ich über ihn sprach. ›Du hast einen tollen Vater gehabt‹, habe ich gesagt. ›Kannst stolz auf ihn sein.‹ Aber sie hat nur die Schultern gezuckt. Aber es stimmt: Er war schon ein Teufelskerl. Ein richtiger Draufgänger.« Armbrust schwieg eine Weile. »Er hat sie ›meine Prinzessin‹ genannt. Und das war nicht nur einfach so ein Ausdruck. Es war etwas wie … Verehrung in seinen Worten.«
    Eine Gruppe Kinder, etwa gleichaltrig und in der Stärke einer Schulklasse, stürmte herein und machte sich lärmend über Hupen, Motorenteile, Lenkräder und Reifen, die in den Ecken auf Montage warteten, her. Man hörte schweres Klirren.
    »Moment, Moment …«, rief Armbrust, »diese Autos haben hundert Jahre gehalten. Da müssen sie auch euch noch überleben. Keiner fasst hier was an!«
    »Herr Armbrust …«
    »Ja, Frau Tobler, was soll ich sagen«, meinte er hastig im Gehen, »aber dieser Mann hat das Kind geliebt. Vielleicht zu sehr geliebt.«
    Vielleicht zu sehr geliebt? Vielleicht  zu sehr ?
    Das ging mir nicht aus dem Sinn, als ich zu meinem Auto ging. Ein hässlicher Gedanke. Der Stiefvater, der die kleine Stieftochter auf einen Autositz hievt. Ihr dabei unters Röckchen schielt und einen Schenkel so berührt, wie ein Vater es nicht tun sollte? Vielleicht hatte die erwachsene Friederike deshalb plötzlich entdeckt: Da hat etwas nicht gestimmt mit meinem Vater und mir. Hat sie sich plötzlich an etwas erinnert?
    * * *
    Renate Rehbügels »Büro für private Ermittlungen und Familienforschung« befand sich mitnichten in Ettlingen oder im benachbarten Karlsruhe, sondern in Bruchsal.
    Bruchsal war eine mittelgroße Stadt mit einem schönen Schloss. An den erstaunlich großzügigen Schlosshof schloss sich ein gepflegter Terrassengarten an, der ganz entfernt an Versailles erinnerte. Obwohl die Stadt nicht weit von Ettlingen lag, suchte ich sie nicht sehr häufig auf. Gelegentlich musste ich mitten durch den Ort fahren, wenn die Autobahn A 5, die mich direkt ins Shoppingparadies Mannheim führte, verstopft war. In diesem Falle zuckelte ich meistens genervt und dicht an dicht hinter anderen ebenfalls genervten Fahrern her durch die kleinen Orte an der B 3. Nur zäh floss der Verkehr dann auch durch Bruchsal. Rechts ließ man die ausgedehnten Anlagen des Gefängnisses liegen, das wie eine trutzige Burg aussah und abweisend und leer wirkte, obwohl es voller Menschen war. Das große Tor ließ mich jedes Mal schaudern. Wie mochte es sein, wenn man da hindurchging, sich noch einmal umdrehte und wusste, dass man von jetzt an kein Teil der normalen Welt mehr war?
    Bruchsal nannte sich im Übrigen das Tor zum Kraichgau, was für mich nicht unbedingt ein Prädikatsmerkmal darstellte. Mit dem welligen Hügelland rechts der B 3 verband ich lediglich urige Fachwerkdörfchen, die, modetechnisch gesehen, direkt an Sibirien grenzten.
    Ich hatte einmal versucht, in Bretten einen Winterminirock von Strenesse in Eierschale zu bekommen, den ich mir auf einer Fahrt von Pforzheim nach Karlsruhe in den Kopf gesetzt hatte und der zu meinem kakaofarbenen Kaschmirpulli mit den eierschalenfarbenen Schneeflocken passen sollte: keine Chance. Zum Schluss war ich so verzweifelt, dass es  irgend etwas von Strenesse hätte sein können.
    Auch da komplette Fehlanzeige. Ich irrte schließlich im teuersten und größten Laden der Stadt umher, und alles, was die Verkäuferinnen an Exklusivem zu bieten hatten, war ein kurzer karierter Rock von Esprit, mit dem ich mich in meinen Kreisen eigentlich nirgends

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