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Tod im Albtal

Tod im Albtal

Titel: Tod im Albtal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Klingler
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erfahren. Das Thema beschäftigte sie wohl schon seit geraumer Zeit. Sie hoffte, sie könnte dann noch über die Ergebnisse meiner Suche mir ihr sprechen, bevor es zu spät war. So etwas kommt in meinem Gewerbe häufig vor.«
    Ich nickte. Auch ich kannte dieses Gefühl. Wenn die Eltern starben, verschwand mit ihnen auch die Vergangenheit. Worte, die bis jetzt nicht gesagt worden waren, wurden nie mehr gesagt. Der Tod meiner Eltern hatte mich seltsam schwerelos werden lassen.
    »Friederike berichtete mir, sie habe den Eindruck, in ihrer Familie stimme etwas nicht. Ihr ganzes Leben lang hatte sie ein Gefühl der Fremdheit gespürt. Viele adoptierte Kinder kennen dieses Empfinden. Und meistens wird dieses Gefühl mit fortschreitendem Alter intensiver, denn man ist nicht mehr finanziell abhängig von den Eltern und sieht sie realistischer. Irgendwann nagt es so sehr an einem, dass man die Wahrheit oder die vermeintliche Wahrheit wissen will.«
    »Und was war die Wahrheit in Friederikes Fall?«
    »Auf ihrer Geburtsurkunde waren Marianne und Rainer Grüber eingetragen. Friederike wurde ehelich geboren, das heißt, Vater war automatisch jener Mann, mit dem die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet war. Außer die Vaterschaft wird angefochten. Dies war nach Friederikes Kenntnis und auch entsprechend meinen ersten Recherchen nicht der Fall. Das Ehepaar war zum Zeitpunkt von Friederikes Geburt bereits sieben Jahre kinderlos verheiratet gewesen. Dann kam Friederike und danach kein weiter Nachwuchs mehr. So etwas weckt bei einem Kind natürlich den Verdacht, dass etwas nicht stimmt. Aber nur, wenn der Verdacht auf fruchtbaren Boden fällt.«
    »Offenbar, denn ich käme nicht mal auf die Idee …« Ich dachte den Gedanken nur ungern zu Ende. Mein Papa nicht mein Papa? Unvorstellbar. Er war die Lichtgestalt meiner Kindheit gewesen. Und wenn doch? Wenn die vertraute Welt plötzlich zerbricht und sich das hässliche Gefühl einstellt, die ganze Zeit belogen und betrogen worden zu sein? Ich dachte an meinen Vater. Groß, blond, ungestüm. Ein unverkennbarer Schwede. Gliedmaßen wie ein junger Elch. Absurde Vorstellung, meine Mama könnte einen anderen getroffen und mich ihm untergeschoben haben. Sie hatten sich geliebt, das hatte jeder sehen können.
    Renate fuhr ungerührt fort. »Friederikes Mutter hat bekanntlich in Ettlingen, Ortsteil Neuwiesenreben, gewohnt, war aber früher Friseurin in Karlsruhe. Sie arbeitete als Partnerin in einem kleinen Salon, den es übrigens heute noch gibt. Marianne Grüber hatte sich auf so alberne Dinge wie Hochzeits- und Ballfrisuren sowie Abiturfeierfrisuren spezialisiert. Sie kam ins Haus und schnippelte dort. Dadurch verkehrte sie offenbar in gehobenen Kreisen, und zwar sowohl in Ettlingen als auch in Karlsruhe. Bis nach Baden-Baden und in die Bergdörfer oberhalb des Albtals hat man sie bestellt. Industriellenkreise, Anwälte, Ärzte. Sie frisierte die Töchter, aber sie konnte offenbar auch Herrenschnitte ausführen. Friederike bildete sich nun offenbar ein, einer dieser Männer wäre ihr wahrhafter Vater gewesen.«
    »Aber wie kam sie denn da drauf? Ausgerechnet Friederike?«
    Renate zuckte die Achseln. Sie stand auf und öffnete das Fenster. Ein warmer Luftzug strich mir übers Gesicht.
    »Ich hatte solche Fälle schon öfter. Meistens sind es die fehlende äußere Ähnlichkeit mit dem Vater und das Gefühl, mit ihm nichts zu tun zu haben und unverstanden zu sein. Mit ihrer Mutter sei es ganz anders gewesen, denn da habe immer eine innere Übereinstimmung bestanden.«
    Ich runzelte die Stirn.
    Rehbügel fuhr fort: »Ihr Vater habe beispielsweise nicht gewollt, dass sie studiert und Lehrerin wird. Der Mann selbst war übrigens Kunstschreiner. Er ist schon vor etlichen Jahren gestorben, bei einem Verkehrsunfall auf der Schwarzwaldhochstraße. War, wie ich, ein Motorradfahrer. Ziemlicher Autonarr und Raser. Was soll man dazu sagen? Er konnte sich jedenfalls gegen das Misstrauen seiner Tochter nicht mehr wehren.«
    Ich hörte nachdenklich zu und versuchte, mich an Gespräche mit Friederike zu erinnern. Sie hatte immer mit Wärme von ihrer Mutter erzählt. Ich hatte die Frau nur ein paarmal mit ihr in der Stadt gesehen und konnte mich kaum an sie erinnern.
    »Ja, sie hat mir erzählt, dass sie nun Waise ist. Von ihrer Mutter hat sie ab und zu gesprochen, ihren Vater hat sie aber tatsächlich niemals erwähnt.«
    Renate Rehbügel schwieg einen Augenblick, dann sagte sie: »Ja, sie

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