Tod im Albtal
warum ich mit der Suche nach Friederikes Mörder ausgerechnet im Automuseum in Marxzell begann. Eines aber weiß ich: Hätte ich damals schon genauer hingehört, wäre das Unheil, das Friederikes Ermordung folgte, vielleicht nicht geschehen.
Das Wetter war schön, als ich Horst Schmieds verwaistes Zuhause verließ. Mein Mann würde sowieso nicht daheim sein, und so hatte ich Zeit zum Nachdenken.
In der Ferne sah man den bläulichen Dunst, der das spätsommerliche Karlsruhe umgab, doch dorthin zog es mich jetzt nicht. Aber auch die an eine Theaterkulisse erinnernde Beschaulichkeit von Ettlingen machte mich an diesem Tag ungeduldig und nervös. Ich mochte keinem Bekannten begegnen und keine neugierigen Augen auf mir ruhen sehen.
Wenn ich Friederike besser kennenlernen wollte, sollte ich vielleicht einfach auf ihren Spuren wandeln und ins Albtal fahren. In Krimis wurden Leute immer erst interessant, wenn sie tot waren. Das galt vor allem bei Serienmorden, bei denen Profiler das Gemeinsame zwischen einer Hausfrau von fünfzig und einer zwanzigjährigen Prostituierten suchten. Wer hätte sich unter normalen Umständen schon für die Hausfrau interessiert? So war es auch bei Friederike. Wer hätte schon auf ihren Spuren wandeln wollen, als sie noch lebte?
Der Ort Marxzell lag auf halbem Wege zwischen Ettlingen und Bad Herrenalb. Direkt an der Straße, erkennbar an den alten Karossen, die vor dem Gebäude standen, lockte das kleine private Automuseum Besucher an. Mit den Rotarierfrauen hatte ich durch das Sammelsurium von Autos, Autoteilen, automobilen Souvenirs aller Art, Feuerwehrautos, Motorrädern, Teilen von Zügen, Puppenstuben, Schildern, Möbeln und Geschirr einmal eine Führung im Albtäler Dialekt mitgemacht. Eine Norddeutsche, die dabei war – die Frau eines Bundesrichters –, hatte immer nur den Kopf geschüttelt und gesagt: »Büschen unordentlich. Da müssten Sie mal fegen, junger Mann!«
Wir Einheimischen wussten alle, dass dieses private Museum eine durch Generationen in der Familie weitergereichte Leidenschaft war und keinerlei wissenschaftlichem Anspruch standhielt. Doch seit Jahrzehnten suchten Kinder und Erwachsene den kleinen Ort auf, in dem es nach Öl und Gummi roch und wo man auf seine ganz private Entdeckungsreise durch die letzten hundert Jahre Kulturgeschichte gehen konnte.
»Ja, unsere arme Friederike ist tot«, sagte Thomas Armbrust, der Leiter und Mitbegründer des Museums, mit echtem Bedauern. Der vierschrötige ältere Mann trug einen verfilzten Norwegerpullover und war mit einem Schraubenschlüssel in seinem Reich unterwegs. Trotz des sommerlichen Wetters draußen war es in der vollgestopften Halle unangenehm kalt. Armbrust stellte eine große Schaufensterpuppe, die einen Strohhut trug und sich an ein großes schwarzes Auto lehnte, wieder aufrecht hin. »Das ist der Dienstwagen vom früheren Karlsruher Oberbürgermeister Günther Klotz!«, sagte er stolz.
Von der Wand sah mich eine gemalte Bertha Benz huldvoll an. Neben ihr hing eine morsche Sense, Angehörige des Hauses Baden lächelten von einem Hochzeitsbild. Irgendwo setzte jemand eine alte Musiktruhe in Bewegung. Beinahe gespenstisch hallte ein Walzer durch die überfüllten Hallen.
»Ich bin betroffen. Kannte sie lange. Sie kam schon als Kind mit ihrem Vater hierher. Ich kann nicht glauben, dass ihr jemand was antun wollte. Sie war doch so freundlich und harmlos. Und gar nicht eingebildet. Einmal im Monat hat sie hier ehrenamtlich Eintrittskarten verkauft. Wir mochten sie alle.«
Ich kannte Armbrust von verschiedenen Begegnungen auf halboffizieller Ebene. Manchmal war er bei Neujahrsempfängen eingeladen, oder er tauchte schlecht gekleidet bei Benefizveranstaltungen auf. Er gehörte vielleicht nicht in unsere Kreise, aber er gehörte zu unserer Region.
Noch aus anderem Grund genoss ich den kleinen Ausflug. Ich hatte mich nämlich zu Hause rasch umgezogen. Beige ging natürlich gar nicht für ein unordentliches und schmuddeliges Fahrzeugmuseum. So hatte ich endlich Gelegenheit, meine Boyfriend-Jeans von Miss Sixty auszuführen. Dazu eine Sweatjacke von Lands’ End. Katalogware. Kam mir sonst nicht in den Schrank, aber hier passte sie hin.
Mit einem ölverschmierten, stark riechenden Lappen wienerte Armbrust jetzt an einem alten Unimog herum. Ein Satz Schraubenschlüssel lag auf einem wackeligen dreibeinigen Stühlchen.
»Das ist noch ein Unimog aus den fünfziger Jahren. Einer der ersten mit dem Stern. Die waren nicht
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