Tod im Albtal
zeigen konnte. Esprit! Das trugen die Töchter meiner Freundinnen, wenn sie das erste Mal selbstständig einkaufen durften. Ein typisches Einsteigerlabel.
Wie hatte Elena mal gesagt: »Esprit hat man in unserem Alter, aber das trägt man doch nicht mehr!« Es war ihr scheißegal, ob Frauen in der Runde waren, die eine Esprit-Jacke trugen. Und keine sagte was. Sie wollten es sich nicht mit ihr verderben.
Ich kurvte also ein bisschen um die Bruchsaler Innenstadt herum, landete zweimal in einem Tunnel, irgendwann parkte ich mein Auto an verbotener Stelle und lief die wenigen Schritte in die überschaubare Fußgängerzone.
Bonita und ähnliche Kettenboutiquen strafte ich mit Verachtung. Was anderes gab es hier wahrscheinlich nicht, aber ich persönlich setzte keinen Fuß in diese Art von Laden. Für mich waren das nur Kleiderkammern für Sekretärinnen, Zahnarzthelferinnen und Grundschullehrerinnen. Sorry!
»Du bist ziemlich arrogant!«, hatte mich meine Bekannte Marlies einmal gerügt. »Mit gutem Grund!« war meine Antwort gewesen. Ich hasste dieses gewollt Modische, das so schick war wie ein Brotbackautomat.
»Kauft euch lieber ein schlichtes weißes Basic-T-Shirt bei H & M als irgendeinen pseudooriginellen Fetzen mit Tigerkopf drauf oder diesem unsäglichen Animal-Print bei Cecil oder in Hausfrauenketten wie Wissmach«, riet ich meinen verunsicherten Kundinnen. Sie schauten dann meist betreten zu Boden. Vor allem, wenn sie Animal-Print mochten. Warum, zum Teufel, sollte ich in der Imitation eines Tigerfells herumlaufen? Ich war ja schließlich nicht beim Varieté.
Renate Rehbügels »Büro für private Ermittlungen und Familienforschung« lag im ersten Stock eines Geschäftshauses, in dessen Erdgeschoss eine Metzgerei mit Schnellimbiss untergebracht war. Gegenüber befand sich die Tür zu einem Zahnarzt ohne Doktortitel namens Bodo Freilich. Tut mir leid, Herr Freilich. Nicht einmal im Notfall würde ich mich zu Ihnen auf den Stuhl setzen. An meine Zähne und an meine Haare lasse ich nur die Besten Ihrer Zunft.
Zarte Fleischwurstdüfte wehten aus der Metzgerküche bis nach oben. Das Entree war also nicht sonderlich einladend, aber vielleicht sollte ich nicht zu streng mit Frauen sein, die sich in einem solchen Gewerbe allein durchs Leben kämpften.
Ich selbst hatte meine Seele vor dem Traualtar einst an einen reichen Steueranwalt verkauft. Frau Rehbügel mochte sich kein Büro in Eins-a-Lage in Baden-Baden oder Badenweiler leisten können, dafür aber gehörte ihre Seele vielleicht noch ihr.
Natürlich hatte ich einen Termin mit ihr vereinbart. Seit ich meinen Golflehrer einmal unvorbereitet wegen einer Haltungsfrage aufgesucht hatte und ihn quasi mit dem Pächter eines Eissalons in Spielberg im Bett erwischt hatte, besuchte ich niemanden mehr unvorbereitet. Nicht mal meinen Mann abends in Büro. Da wir kaum jemals Sex hatten, fragte ich mich gelegentlich, ob er mir treu war. Die Frage blieb unbeantwortet, und ich vergaß sie zwischendurch immer wieder.
Hinter der schlichten Wohnungstür hörte ich sehr energische Schritte. »Moment!«
Renate Rehbügel war eine kräftige Frau mit kurzem rotem Haar und blauen Augen, die von feinen Linien umgeben waren und ein Geburtsdatum irgendwann in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts verrieten. Sie trug eine hellblaue Hose undefinierbarer Marke und ein schwarzes Top mit dreiviertellangen Ärmeln – eine Länge, die ich grundsätzlich ablehne, da sie unelegant aussieht. Beides stammte aus einem Katalog der preiswerteren Sorte oder im schlimmsten Fall vom Fernsehshoppingkanal QVC .
Wäre ich Privatermittlerin, würde ich mich in speckiges Leder und verwaschene echte Levi’s-Jeans kleiden, die aussahen, als hätte ich darin schon einige Verdächtige gestellt oder zumindest in San Francisco am Hafen gesessen. Auch hier könnte ich also einige typgerechte Verschönerungsarbeiten durchführen.
Als habe sie meine Gedanken erraten, sagte sie trocken: »Nichts zu machen. Bei mir würden Sie sich die Zähne ausbeißen, Swentja. Ich hatte schon als Kind mehr Interesse an Autos als daran, Barbie so anzuziehen, dass sich Ken freut. Heute kann ich für mich selbst sorgen. Und ich fahre eine stattliche BMW in Schwarz.«
»Jedem das Seine«, meinte ich. »Ich fahre auch BMW , allerdings die Version mit vier Rädern und in Creme.«
»Und Sie besitzen natürlich alles, was dazu passt. Sogar die Handtasche«, sagte sie, als ich meine Tasche auf einen Stuhl
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