Tod im Albtal
nicht halt.«
»Da mache ich mir keine Gedanken. Ich kann auf mich aufpassen. Auf Wiedersehen.«
»Ciao. Und wenn du mal von dem einen ins andere Lager wechseln willst – für so was Leckeres wie dich gibt es immer Interessentinnen.«
»Den Tag wirst du nicht erleben, Rehbügel«, sagte ich.
* * *
Wer jetzt den Eindruck gewonnen hat, mein Mann spielte gar keine Rolle in meinem Leben, der irrt. Wir trafen in regelmäßigen Abständen aufeinander, stimmten Termine ab, besprachen die Angelegenheiten unserer Tochter oder kommentierten den Zustand des Gartens.
Szenen meiner Ehe:
»Und wie geht’s dir so? Alles im grünen Bereich?« Man hätte meinen können, ein entfernter Bekannter erkundige sich beiläufig. Doch es war mein eigener Ehemann, der auf diese Weise sein ungeheures Interesse an mir zeigen wollte.
»Danke, man ist zufrieden!«, erwiderte ich und lächelte freundlich.
Damit war wiederum er sehr zufrieden. Ein Mann mit einer so überaus wichtigen Lebensaufgabe wie der, anderen Männern beim Steuerhinterziehen zu helfen, kann keine nörgelnde Ehefrau um sich haben, die zusätzlichen und unbezahlten Einsatz und Kreativität von ihm fordert.
Doch dann erkundigte er sich zu meiner Überraschung nach meinem Gewerbe.
»Hast du wieder neue Kundinnen? Oder hat der Tod der Frau von diesem Schmied alle schlecht gekleideten Damen Mittelbadens abgeschreckt?«
Zu den vielen typischen Eigenheiten meines Mannes kam noch eine weitere: Friederike existierte für ihn nicht als eigenständige Person, sondern lediglich als ›Frau von diesem Schmied‹.
»Ja, doch. Die arme Friederike ist schon fast vergessen. Du weißt ja, wie das ist. Dass ich aber in einen Mordfall verwickelt war, ist keineswegs vergessen, doch die meisten sind eher neugierig als abgeschreckt. Ich denke, ich werde demnächst mit einer Kundin nach Baden-Baden fahren. Und mit einer nach Mannheim. Aber vorher gehe ich zum Friseur!«
»Mach das!«, gab mein Mann zufrieden zurück. Frau beim Friseur, alles in bester Ordnung. »Vergiss nicht, wir sind am Wochenende groß beim alten Nagel eingeladen. Der Mann hat es mit unserer Hilfe nicht nur fertiggebracht, den Haken vom Finanzamt, das ihn schon wegen Steuerhinterziehung dranhatte, auszuspucken, er bekommt jetzt sogar eine Steuerrückzahlung. Ich bin für ihn wie der liebe Gott! Und du wirst die Göttin sein.«
Ich lächelte. Das war eine Rolle, die mir gefiel.
* * *
Den Friseursalon, in dem Friederikes verstorbene Mutter einst gearbeitet hatte, gab es erstaunlicherweise noch, und zwar in der Karlsruher Südweststadt. Umrahmt von einer Bäckerei und einer Galerie befand er sich in der lebhaften Jollystraße – einem für Karlsruhe typischen Mix aus bravem Bürgeralltag und meist ebenso braver moderner Kunst.
Ich hätte allerdings wetten können, dass die Bäckerei einen weit besseren Jahresumsatz als die Galerie machte, denn in einer Stadt, in der es eine der renommiertesten Kunsthochschulen Deutschlands gab, schossen neue Galerien wie Pilze aus dem Boden. Waren die Vernissagen vorüber, der Sekt getrunken und die Häppchen verspeist, herrschte in den Räumlichkeiten allerdings meist heilige Stille.
Der Friseursalon besaß zur Straße hin ein altmodisches Schaufenster mit einer schon fast nostalgisch wirkenden Wella-Reklame.
Das Inhaberschild, das über der kleinen Eingangstür prangte, hatte einst auf Stolze & Grüber gelautet, was in den Siebzigern, wo Salons in der Regel Anita oder Petra hießen, zweifellos eine fast avantgardistische Ansage war. Das Grüber war verblasst, wenngleich noch schwach zu lesen. Am Stolze hatte jemand kürzlich herumgepinselt.
Der Laden war keiner von der Sorte, die ich oder meine Kundinnen jemals aufgesucht hätten. Mehr noch: Ich hätte es meinen Klientinnen geradezu verboten. »Im Polnischen«, dozierte ich gerne, wenn eines meiner Opfer behauptete, ihr alter Friseur sei gar nicht so übel, noch dazu preiswert und sein Salon läge so praktisch in der Nähe, »gibt es ein Sprichwort: Eine schöne Frau ist Augen, Haare und Zähne. An euren Augen könnt ihr nur ein bisschen herumpinseln, die Zähne gehören leider ebenfalls zum Erbgut, aber bei euren Haaren sucht bitte so lange, bis ihr den perfekten Coiffeur gefunden habt. Und dann lasst ihn nie wieder los. Verwöhnt ihn mit Trinkgeld, mit Empfehlungen und lasst Lob auf ihn herabregnen. Er braucht das, denn er ist eitel.«
Meistens murmelten meine Kundinnen dann aufsässig, ich hätte schließlich gut
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