Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Albtal

Tod im Albtal

Titel: Tod im Albtal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Klingler
Vom Netzwerk:
drosselte meine Geschwindigkeit, um Marlies möglichst viel Zeit zu geben.
    Sie bewies, dass sie originell denken konnte. »So wie ich nicht weiß, welche Farbe mir steht, wusste sie irgendwie nicht, welches Leben ihr stand.«
    »Inwiefern denn das?«
    »Sie bestand aus so vielen Wünschen und Träumen, die unerfüllt waren und es irgendwie auch blieben. Einmal wollte sie Geige spielen lernen, aber das ist im Alter zu schwer. Meine Mittlere hat es auch bald wieder aufgegeben. Dann hat sie Jazztanz angefangen, und angeblich war sie auch sehr begabt, aber dann hat sie sich den Meniskus angerissen, und es war vorbei damit. Ein Kinderbuch wollte sie schreiben, über ein Hundebaby, und ganz zum Schluss hat sie noch sinnloserweise damit begonnen, Französisch zu lernen. Aber ihr Horst ist doch keiner, der mit einem Wohnmobil durch Frankreich zuckelt. Der fliegt einmal im Jahr nach Teneriffa, um sich richtig zu erholen, und das war’s. Ansonsten macht er Urlaub im Land seiner Wähler.«
    Das alles entsprach genau meinem Eindruck von Friederike. Sie war fahrig gewesen. Stets bemüht, aber eben fahrig.
    »Außerdem wollte sie es jedem recht machen. Jetzt ihrem Mann, früher ihrer Mutter, indem sie sich von ihr dauernd neue Frisuren machen ließ und jedem erzählte, sie werde dauernd angesprochen, wie gut sie aussehe. Ich meine, die Frau Grüber war ganz patent, aber provinziell und auch nicht mehr die Jüngste. Nein, Friederike ruhte einfach nicht in sich.«
    Wir passierten Schwetzingen. Ich schwenkte auf die autobahnartig ausgebaute Schnellstraße nach Mannheim ein, vorbei am Stadtteil Rheinau, von dem man allerdings nichts sah außer einem ausgedehnten Kiefernwald. Links grüßte das riesige Kraftwerk, das kräftig Rauch in den dunkelblauen Herbsthimmel spuckte. Die Szenerie war beinahe unheimlich.
    Ich bohrte noch ein bisschen nach. »Sie hat doch auch Leserbriefe geschrieben. Wegen des Ausbaus des Albtals zur Motorradrennstrecke nach Bad Herrenalb. Oder täusche ich mich da?«
    »Ja, das war auch so etwas. Kein Mensch weiß, warum sie plötzlich die Meinung geändert hat. Ich vermute, es war ihr Mann, der sie dazu gedrängt hat. Er besitzt mehrere kleinere Immobilien in Bad Herrenalb, und die würden im Wert um das Doppelte steigen, wenn man diese Sache realisieren würde. Mein Mann sagt, die Erfahrungen haben gezeigt, dass dieses ›Highway to Heaven‹-Konzept dem jeweiligen Zielort einen ziemlichen Touristenboom beschert hat. Das würde die Wirtschaft im Tal ankurbeln. Anstatt Schonkostgaststätten für alte Leute würden Bars und Kneipen entstehen und auch teure Restaurants, denn viele Biker sind im mittleren Alter und haben Geld. Sagt mein Mann.«
    Sagt mein Mann! Hatte mich dieses ewige Satzanhängsel immer schon so gestört? Die meisten von uns wohlhabenden Ehefrauen hatten Abitur, viele hatten sogar studiert. Doch wenn es um wichtige Dinge ging, zitierten wir ständig unsere Männer. Eigentlich Schwachsinn!
    Ich fuhr jetzt am Mannheimer Stadtteil Neckarau vorbei und musste mich konzentrieren. Der Verkehr wurde dichter. Straßenbahnen kreuzten, Lastwagen rasten zu dicht an mir vorbei. Mofas mit Schülern drauf knatterten über Zebrastreifen, und ein dreister Mercedes schnitt mir den Weg ab. Obwohl Mannheim zum eher beschaulichen Baden gehört, spürte man überall in der Stadt den Einfluss der lebendigeren Kurpfälzer, die eifrig dabei waren, sich zu einem bunten Multikultisalat zu vermischen.
    »Wo parken wir?«, wollte Marlies wissen.
    »Am Wasserturm. Dann rollen wir die Stadt von unten auf. Im unteren Teil der Planken sind sowieso die besten Läden.«
    Marlies nickte. Sie hatte nichts dagegen, Geld spielte keine Rolle.
    »Marlies, was ist dran an dem Gerücht, dass Friederike … nun, sagen wir, auch einen emotionalen Grund hatte, den Ausbau zunächst abzulehnen? Stichwort ›Hund‹!«
    »Ach«, bemerkte sie ironisch, drehte sich zur Rückbank um und fing geräuschvoll an, ihre Sachen zusammenzupacken. »Soll ich mein Handy überhaupt mitnehmen? Ich lass es da. Verliert man so leicht, wenn man anprobiert. Hund? Ich dachte, niemand weiß etwas von der Sache. Nicht mal die Kripoleute. Also, von mir haben sie es zumindest nicht erfahren. Bitte erzähl es nicht weiter.«
    Ich hielt den Atem an. War ich doch eine Nasenlänge vor Hagen?
    »Ja, da gab es wohl eine gewisse Connection in Neurod. Ganz früher hatte sie ihren Hund manchmal dort geparkt, und nachdem er gestorben war, hat sie wohl einmal mit ihrer

Weitere Kostenlose Bücher