Tod im Albtal
Schulklasse einen Ausflug dorthin gemacht. Hunde ausführen, Hunde streicheln, was die heute alles so machen, damit die Kids nicht eine Stunde stillsitzen müssen. So ist sie wieder an diesen Bleibtrau geraten, und offenbar hat es diesmal klick gemacht. Die Empfehlung stammte ursprünglich sogar von mir, denn wir bringen unsere Komtess immer dorthin, wenn wir übers Wochenende wegfahren.«
»Marlies, hatte sie ein Verhältnis mit ihm? Ein richtiges Verhältnis?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Wir haben nicht direkt darüber gesprochen, aber ich denke schon. Sie fühlte sich bestimmt oft einsam. Der Mann war viel weg, keine Kinder. Der Hund war auch nicht mehr da. So ein Hund ist tröstlich.«
»Nicht für mich«, sagte ich entschlossen. »Zecken entfernen, Flöhe rauskämmen und Analdrüsen ausdrücken? Kein Bedarf.«
»Wenn du dich erst einmal richtig verliebst«, scherzte Marlies, »dann zählt das alles nicht mehr.«
Ich wollte protestieren. Doch dann dachte ich an Hagen. Und an den schmelzenden Blick, mit dem sein Hund ihn ansah. Wenn du dich erst einmal richtig verliebst …
»Was für ein Mensch ist dieser Bleibtrau?«, wollte ich wissen.
»Ein eher einfacher Mann. Bodenständig und ein bisschen zottelig. Aber sehr tierlieb. Vielleicht hat er sie an ihren eigenen Vater erinnert. Friederike war ja immer bemüht, sich an den anderen zu orientieren. Erst an ihren Eltern, später dann an ihrem Mann. Sie schielte ängstlich danach, jeden Konflikt zu vermeiden. In gewissem Sinne ist sie nie richtig erwachsen geworden.«
Das traf sich mit meinem Eindruck. Ich hätte Friederike ein Harlekinskostüm aufschwatzen können, um damit zum Opernball in Karlsruhe oder zur Verleihung der Radio-Regenbogen-Awards zu gehen – einige der Events, bei dem sich die besseren Kreise aus Karlsruhe und Ettlingen regelmäßig begegneten und beäugten.
An welchen ihrer Väter mochte dieser Bleibtrau sie wohl erinnert haben?, dachte ich, aber im Moment ließ ich das Thema Friederike ruhen, denn ich wollte Marlies nicht misstrauisch machen. Schließlich bestand meine eigentliche Aufgabe darin, Frauen besser anzuziehen, und genau das hatte ich jetzt mit Marlies vor.
»Marlies, bevor wir nun Engelhorn & Sturm betreten, möchte ich dich bitten, mir zu sagen, in welchem Stil du dich siehst: ewiges College-Girl, Ethno, Country oder vorwiegend klassisch?«
»Klassisch!«, sagte Marlies mit Bestimmtheit. »Swentja, die Sachen, die ich mir heute mit dir kaufe – und ich habe die American Express dabei –, die will ich noch zur Hochzeit meiner Tochter in ein paar Jahren anziehen können, ohne dass sich das ganze Albtal das Maul darüber zerreißt, dass ich wieder aussehe wie eine vom Land.«
Der traditionsreiche, aber inzwischen total aufgepeppte Kleiderladen Engelhorn & Sturm in Mannheim war eine der besten Adressen in Südwestdeutschland und ein Paradies für Frauen mit einer gut genährten Kreditkarte. Es herrschte viel Betrieb. Schon längst stapelte sich die Herbstware in den Regalen und wurde sogar hier und da bereits kräftig von den Winterkollektionen unter Druck gesetzt. Die hellen Schauräume mit den zartlila Teppichböden, auf denen man weich auf und ab schritt und sich wie ein etwas in die Jahre gekommenes Supermodel fühlen konnte, waren bestens temperiert – unserem Kaufrausch stand nichts im Wege.
Neben den obligatorischen Must-haves in Schwarz und Weiß hatte ich mich mit mir selbst auf Beige, Mauve, moosige Grüntöne, Cognacschattierungen, puderige Basics und ein mattes Weinrot als Farben für Marlies geeinigt. Letzteres war gewagt, aber sie würde dramatisch gut darin aussehen. Weinrot war eine sehr problemlose Farbe. Außer Rothaarigen stand sie beinahe jeder, und sie zauberte eine wunderbare Haut.
Wir begannen mit der Ausstattung für den Alltag im rustikalen Moosbronn. Für einen Hauch Country stattete ich Marlies mit einer hautengen, phantastisch sitzenden Jeans und einem kurzen moosgrünen Zöpfchenpullover aus, beides von Stefanel. Für Kaminabende und kühlere Herbstnachmittage am Waldrand eigneten sich ein Wollkleid von Hilfiger und ein wundervolles Salz-und-Pfeffer-Couplet mit Rock und Jacke von Malene Birger. Damit könnte sie glatt mit der Queen zur Moorhuhnjagd gehen. Ebenfalls für die Hundespaziergänge war eine mauvefarbene Strickjacke von Iris von Arnim gedacht. Die Jeans waren so edel, dass sie dazu nahezu alles tragen konnte.
Für offiziellere Anlässe erstanden wir ein schwarzes Businesskostüm
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