Tod im Albtal
kannte.
»Ein Iraner?«
»Glaube nicht. Warte mal – ein Ägypter, aber er sieht ganz normal aus. Beinahe wie ein richtiger Deutscher. Hat selbst sieben Kinder. Natürlich ist er ein Moslem. Ganz früher war er mal in Karlsruhe an der Frauenklinik in der Virchowstraße. Seine Patientinnen sind ihm treu geblieben und später extra für ihn nach Baden-Baden gefahren. Jetzt ist er schon ziemlich alt. Muss über fünfundsechzig sein.«
»Ging Friederike auch zu ihm?«
»Nein, das glaube ich nicht. Hat sie zumindest nie erwähnt. Die Männer kennen sich vom Tennis, glaube ich. Ich müsste jetzt weitermachen, Swentja. Auspacken. Ich habe neue Ware bekommen. Ich stehe ja sozusagen auf der anderen Seite der Theke. Der Seite, die du nicht kennst und die eine Menge Arbeit macht.«
»Nein. Glücklicherweise kenne ich diese Seite nicht, Beate. Aber da kann man nichts machen. Werde doch Buddhistin. Vielleicht wirst du als Kundin wiedergeboren.«
Nachdenklich ging ich nach draußen. Es war nicht mehr so heiß, aber doch noch angenehm mild. In unserer Region kann es bis weit in den Oktober hinein schön sein. Im Grunde fingen jetzt gegen Ende September die besten Tage des Jahres an. Bald würde der Beaujolais nouveau in den Restaurants auftauchen, und ich konnte wieder meiner Leidenschaft für frische Meeresfrüchte frönen.
Im Eiscafé Pierod, neben der Kirche, bestellte ich einen Espresso. Holte mein Blatt hervor und schrieb neben dem roten Strich auf, was sich bei meinem anstrengenden Einkaufsrausch in Mannheim ergeben hatte.
Das Kästchen war vermutlich am Abend der Schmied’schen Party aus Friederikes Zimmer verschwunden. Sie hatte sein Fehlen nicht bemerkt, da sie nach der Feier wahrscheinlich todmüde ins Bett gesunken war und am nächsten Morgen früh aufstehen musste, um sich mit mir zu treffen. Und selbst wenn sie es gemerkt hätte … Das hätte ihren Tod wohl kaum mehr verhindert.
Das Zimmer, in dem sie ihren Schatz aufbewahrt hatte, lag direkt neben dem Fernsehzimmer, wo sich während der Party ein kleines Mädchen und ein Hund aufgehalten hatten. Ebenfalls im ersten Stock war die inoffizielle Toilette für die Herren, und offenbar hatte sich jeder Gast an die heiter vorgebrachte Empfehlung gehalten.
An diesem Abend war das Kästchen gestohlen worden, und zwar von einem der Männer. Die Leute vom Personal schieden wohl aus. Welches Interesse hätten sie an einer Schatulle mit Dokumenten haben sollen, die die Familiengeschichte der Gastgeberin betrafen?
Der biologische Vater von Friederike musste ein bestimmtes Alter haben. Er bewegte sich vermutlich in gehobenen Kreisen oder bekleidete eine Position, die angreifbar war. Was das Alter betraf – ich rechnete rasch nach. Friederike war zweiunddreißig gewesen. Ging man von einem Zeugungsalter zwischen achtzehn und fünfzig aus, so könnte der Vater heute fünfzig sein, aber durchaus auch bereits über achtzig. Da Friederikes Mutter in guten Häusern die Ballfrisuren der Damen gemacht hatte, käme also sowohl ein frühreifer Sohn als auch ein sexuell nicht ausgelasteter Hausherr als Friederikes Erzeuger in Frage.
Zurück zur Szenerie an jenem Freitagabend. Janine hatte den Flur und die Treppe im Blick gehabt. Natürlich konnte sie jemanden übersehen haben, doch schien mir die Kleine recht clever und, da sie auf eine Belohung hoffte, auch recht entschlossen, sich korrekt zu erinnern.
Janine hatte folgende Herren beobachtet: Professor Hellali, Tibor Lodemann, Volker von Mühlbach, Karl Seiboldt und einen Priester, dessen Identität ich noch ermitteln musste.
Hellali sollte nach allem, was ich über ihn gehört hatte, mindestens sechzig sein. Tibor Lodemann war etwa der gleiche Jahrgang, vielleicht etwas jünger. Herr von Mühlbach war nach meinem Eindruck erst Anfang fünfzig. Karl Seiboldt kannte ich von verschiedenen Wohltätigkeitsveranstaltungen, er mochte etwa Ende fünfzig sein. Das Alter des Priesters kannte ich so wenig wie seinen Namen.
Von dem noch unbekannten Kirchenmann abgesehen wusste ich, dass alle Männer sich auch vor dreißig Jahren bereits im Raum Ettlingen und Karlsruhe aufgehalten hatten. Wenn ich mich nicht ganz täuschte, könnte einer dieser Männer durchaus Friederikes wirklicher Vater sein. Und es sah mir verdammt danach aus, als ob jeder dieser Herren etwas zu verlieren hatte.
Meine Augen wanderten zu meiner blauen Linie. Auch dort gab es Fragezeichen.
Eines davon betraf Horsts Engagement für die höchst fragwürdige
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