Tod im Albtal
Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein. Habe ich nicht. Hat einer was gestohlen? Ey, ich dachte, das sind alles feine Leute.«
»Sind es auch. Und so kann man das nicht sagen: stehlen! Nur versehentlich mitgenommen, Schätzchen!«, mahnte Marlies und schoss einen vorwurfsvollen Blick in meine Richtung. »Ich denke, du hast uns sehr geholfen. Vielen Dank!«
»Immer. Krieg ich ‘ne Cola? Oder fettes Zeugenhonorar?«
»Geh halt in den Keller und hol dir eine …«
»Und Geld?«
»Janine! Schäm dich.«
* * *
Szenen meiner Ehe:
»Wie geht’s? Du warst in …«
»Mannheim! Ganz recht. Mit Marlies.«
»Der Frau vom Rubenhöfer?« Auch Marlies entging nicht dem Schicksal, nur die Frau vom … zu sein.
»Nein, nur mit der Marlies!«
Er stutzte und kapierte nichts.
»Sie hat ordentlich eingekauft. Eigentlich müsste ich von dem Laden saftige Prozente verlangen.«
»Steuerlich schwer einzuschätzen«, gab er abwesend und humorlos zur Antwort. Dann fiel ihm auf, dass eine Person schon seit geraumer Zeit am Abendbrottisch fehlte.
»Wie geht es eigentlich unserer Tochter?«
»Gut, vermutlich. Sie ruft nämlich nur selten an.«
»So ist das eben mit den jungen Leuten«, erklärte mein Mann, der nicht die Spur einer Ahnung von jungen Leuten hatte.
Ich beschloss, ihn wenigstens als Informanten auszunützen. »Kennst du einen Mann, der mit Horst befreundet ist oder beruflich zu tun hat, der sehr groß ist, einen Hund besitzt und sein weißes Haar hinter die Ohren gekämmt trägt?«
»Swentja, nach so einer Beschreibung kann man doch niemanden erkennen! Tut mir leid.«
Männer! Was für Anhaltspunkte brauchte er denn noch? Wahrscheinlich erkannte er seine Kunden nur an den Bewegungen des Bankkontos.
Ich würde mich wohl erneut auf den Weg zu Beate in den Kinderbuchladen machen müssen, obwohl ich es eigentlich hasse, bei Frauen einzukaufen, die ich nicht leiden kann.
* * *
»Na?«, meinte Beate süffisant, »man könnte meinen, du erfreust dich noch späten Mutterglücks, so oft, wie du meinen Laden in letzter Zeit beehrst. Für eine Großmutter bist du nun doch noch nicht alt genug. Das heißt, du schon, aber deine Tochter nicht. Zumindest nach dem, was heutzutage so üblich ist. Aber Schwangerschaften kommen gerne zur Unzeit.«
»Du musst es ja wissen!«
»Weiß ich auch. Ich kenne alles. Kinder sind ein Glück, aber manche Frauen kommen auch ganz gut ohne sie zurecht. Und selbst die, die welche haben, sind manchmal ganz froh, wenn sie nicht übergangslos von der Mama zur Oma gemacht werden.«
In diesem Punkt mochte sie recht haben. Ich und Oma! Was für ein Gedanke, und vor allem: Was würde ich als Großmutter anziehen? Zur Taufe oder wenn ich die Kleinen mal hüten musste oder wenn ich auf die Gegenoma traf? Das wäre zweifellos eine neue modische Herausforderung.
Ich kaufte ein Buch in Hundegestalt für sehr kleine Kinder, in dem auf einfachste Weise die rührende Geschichte eines Welpen, der seine Mama verloren hatte, erzählt wurde. Weiß der Himmel, wem ich dieses Machwerk nun wieder schenken sollte.
»Beate, ich habe letzthin einen Bekannten von Schmieds getroffen und mich eine Weile mit ihm unterhalten. Aber sein Name wollte mir einfach nicht mehr einfallen. Das war total peinlich. Hoffentlich passiert mir das nicht noch mal. Er war groß, hatte weißes, etwas längeres Haar, ich meine, er hatte einen Hund bei sich, oder sprach er von einem Hund …?«
»Hört sich nach Professor Hellali an. Der ist mit Horst Schmied recht gut bekannt. Früher hatte er schwarzes Haar. Das sah schon toll aus, aber Weiß steht ihm auch sehr gut. Diese Araber –«
»Hellali?«, unterbrach ich sie.
»Ja. Der Chefarzt an der Gynäkologie in Baden-Baden. Superruf. Viele sind extra zu ihm hingefahren. Zum Entbinden. Oder auch, wenn sie Probleme hatten. Ein sehr fähiger Mann, obwohl Araber ja –«
»Hellali?«, fiel ich ihr wieder ins Wort. »Ja, ich erinnere mich jetzt.«
Das stimmte sogar, denn ich hatte bei diesen unsäglichen gynäkologischen Gesprächen, die sich manchmal in reinen Frauenrunden ergaben, den Namen schon öfter gehört. Meine eigene Frauenärztin war jung, frisch und unkompliziert und wohnte in Leopoldshafen, einer Kleinstadt am Rhein, also in sicherer Entfernung. Zwar war ich normalerweise nur für das Beste zu haben, aber irgendwie war sie mir lieber als ein noch so berühmter älterer Mann, der den Unterleib jeder zweiten Frau in unseren Kreisen aus eigener Anschauung
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