Tod im Albtal
unbekanntem Vater für vielversprechender, aber ein möglicherweise abservierter Liebhaber spielte zumindest in Fernsehkrimis immer ganz vorn an der Verdächtigenfront mit.
Er könnte mich ebenfalls erwürgen. Wenn er mich an seine Hunde verfütterte, würde kein Mensch je eine Spur von mir finden. Es wäre schade um die Jeans von Gardeur, die ich heute erst zum zweiten Mal trug. Obwohl keine echte Nobelmarke, saßen sie gut und hatten ein schönes Aquamarinblau, das zum Hellbraun der Jacke passte. Niemand würde mich schreien hören, denn direkte Nachbarn hatte dieser Bär keine. Mein Auto hatte ich an einer Stelle geparkt, die von der Straße kaum einsehbar war. Er würde es bei Nacht und Nebel entfernen, vielleicht nach Polen verkaufen. Mitleid mit meinem schicken Wagen erfasste mich.
»Ja, nun kommen Sie schon. Ich beiße nicht, und die Hunde übrigens auch nicht. Außerdem kommen gleich zwei Kinder, um meine Dauergäste auszuführen, und dann haben wir keine Ruhe mehr.«
Er ging voraus. Sein breiter Rücken strahlte eine freundliche Gelassenheit aus.
Ich gab mir einen Ruck und folgte ihm. Er würde mich kaum umbringen, kurz bevor zwei Kinder erwartet wurden.
Großes, altmodisch eingerichtetes Wohnzimmer. Vielleicht noch von den Eltern geerbt. Scheußlich.
Auf den Sofas lagen karierte Decken, und auf den Decken lagen Hunde. In allen Farben, Größen und Formen. Einige musterten mich nur träge, andere wedelten mit dem Schwanz, zwei sprangen vom Sofa, umrundeten mich, fanden mich sichtlich uninteressant und kehrten mit einem schlappen Sprung auf ihre Schlafplätze zurück.
Bleibtrau sah es mit warmem Wohlgefallen. Ich begann zu verstehen, was die von ihrer funktionalen Ehe enttäuschte Friederike bei ihm gesucht haben mochte.
»Einige sind draußen im Auslauf. Sie dürfen aber rein, wenn sie wollen. Die Hunde leben bei uns mit im Haus.«
»Uns?«
Er war doch wohl nicht auch noch verheiratet? Ein verheirateter Mann! Das alles hätte ich der schlichten Friederike überhaupt nicht zugetraut. Allmählich keimte in mir der Verdacht, dass wir sie nicht wirklich gekannt hatten.
»Meine Schwester lebt mit mir zusammen. Sie ist Tierärztin in Pforzheim. Fährt sommers wie winters rüber über den Berg. Hat auch hier noch ein paar Patienten. Wiehernde Patienten. Nur heute nicht. Sie hat einen freien Tag und wollte wandern gehen. Zum Metzlinschwander Hof. Sie wird bald zurück sein.«
Eine schöne Tour. Mit den Rotarierfrauen hatten wir sie schon zweimal gemacht. Vom Kloster Frauenalb ging es zwei Kilometer hinauf zu dem stattlichen Gehöft, dem einzigen Relikt einer größeren mittelalterlichen Dorfsiedlung, wo Pferde und Rinder gehalten wurden.
Ich nickte möglichst beiläufig. Ein Mann, der noch mit seiner Schwester zusammenlebte, die jeden Moment nach Hause kommen konnte, schien mir nun doch keine akute Gefahr. Ich trat ein paar Schritte näher.
»Woher wissen Sie, dass ich Swentja Tobler bin?«
»Friederike hat mir ein Foto von Ihnen gezeigt. Und da Sie nicht gerade aussehen wie die Bäuerin von nebenan, habe ich mir das Gesicht eingeprägt. Setzen Sie sich doch. Hexle, rück mal ein wenig zur Seite.« Der so angesprochene Rauhaardackel bewegte sich keinen Zentimeter.
Vorsichtig ließ ich mich neben dem Vieh nieder und versuchte, nicht an die Hundehaare zu denken, die vermutlich hinterher an meinem Po kleben würden. Und von dort gelangten sie unweigerlich auf die königsblauen Polster meines cremefarbenen BMW .
»Tee? Wasser?«
Um Himmels willen. Hier würde ich nichts essen und nichts trinken, und wenn es die einzige Oase in der Wüste Gobi wäre! Ich war sehr empfindlich, was das Geschirr anging, von dem ich aß und trank. Billiggläser gingen gar nicht. Geschirr hatte bei mir etwa den Stellenwert von Unterwäsche: Es musste schlicht, aber edel sein. Von meinem ersten selbst verdienten Geld als Gelegenheitsfotomodell hatte ich mir seinerzeit ein historisches Rosenthal-Geschirr gekauft.
»Danke. Ich möchte Sie auch nicht lange aufhalten. Ich bin sehr betroffen über Friederikes Tod, und da Sie gelegentlich mit ihr wegen des Hundes …«
Er schüttelte den Kopf so schwerfällig wie ein Bär. »Ich denke, Sie wissen es längst. Friederike und ich, wir waren mal zusammen. Soll ich es immer noch verschweigen? Jetzt, wo sie tot ist? Als sie noch lebte, haben wir Verstecken gespielt wie ungezogene Kinder. Obwohl es ihrem Mann, diesem wandelnden Automaten, bestimmt ganz egal war, mit wem sie im Bett
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