Tod im Beginenhaus
verzweifelte Gesicht ihres Vaters.
«Ich bin nicht Sieglinde», wiederholte sie, doch er starrte sie nur verständnislos an.
«Was redest du denn da? Ich sehe doch, dass du es bist. Geh nie wieder fort!»
Ihr eigener Vater erkannte sie nicht! Adelina warf Burka einen ebenso ratlosen wie erschrockenen Blick zu. Auch der Medicus schien nicht zu wissen, was er von der Situation halten sollte. Sie wandte sich wieder an Albert.
«Hör mir zu», sagte sie eindringlich. «Ich bin Adelina, deine Tochter. Nicht Sieglinde. Du hast vielleichtvon ihr geträumt, Vater. Aber sie ist nicht hier. Mutter ist tot. Das weißt du doch.»
Prüfend sah sie ihm ins Gesicht, doch in seinen Augen las sie, dass er nicht begriffen hatte, was sie eben gesagt hatte. Hilflos hob sie die Schultern.
«Komm, leg dich wieder hin. Es ist schon sehr spät, und wir wollen doch Vitus und Franziska nicht aufwecken.» Sie blickte sich nach dem tönernen Weinkrug um, der immer neben Alberts Bett stand, und sah ihn zerbrochen auf dem Boden liegen. Daher also das Klirren. Allerdings war der Fußboden trocken, demnach hatte ihr Vater den Krug vor dem Schlafengehen restlos ausgetrunken.
«Vitus hat einen tiefen Schlaf, der wacht so schnell nicht auf», sagte Albert plötzlich völlig klar. Er blickte zwischen Burka, der noch immer in der Tür stand, und seiner Tochter hin und her, und erst jetzt schien ihm aufzufallen, dass etwas nicht stimmte.
«Was tust du denn hier? Und warum hast du den Herrn Magister mitgebracht?»
Im ersten Moment war Adelina so verblüfft, dass sie keine Worte fand. Burka trat rasch einen Schritt vor.
«Wir haben ein Klirren aus Eurem Zimmer gehört. Anscheinend seid Ihr im Schlaf gegen den Weinkrug gestoßen und habt ihn zerbrochen. Wir wollten nur nach dem Rechten sehen.»
«So?» Albert sah zu Boden und erblickte die Scherben. «Tatsächlich. Tut mir Leid. Habe ich Euch geweckt?» Verwirrt fuhr er sich durch den Bart. «Nun ja, es ist wohl wirklich schon spät. Ich werde mich wieder schlafen legen.»
Unsicher stand Adelina auf. Ihr Vater hatte ihr einen gehörigen Schrecken eingejagt.
«Geht es dir auch gut, Vater?»
«Oh, mir geht es hervorragend, Lina. Habe wohl etwas wild geträumt, dass ich den Krug hinuntergeworfen habe.» Albert lächelte schief und sammelte rasch die Scherben ein. Adelina nahm sie ihm ab und ging zögernd zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um, doch Albert hatte sich schon wieder unter seine Decke verkrochen und die Augen geschlossen.
«Kommt.» Burka schob sie aus der Kammer und schloss die Tür.
«Er hat mich nicht erkannt. Er dachte, ich sei meine Mutter.»
«Ich weiß.» Burka seufzte. «Adelina, wir müssen uns einmal über Euren Vater unterhalten.» Er legte ihr eine Hand auf den Arm. «Ihr seht sehr blass aus. Vielleicht ist es besser, Ihr legt Euch jetzt ebenfalls hin. Morgen ist auch noch ein Tag.»
«Ich kann jetzt nicht schlafen», protestierte sie. Burka setzte eine strenge Miene auf.
«Natürlich könnt Ihr das.» Ohne zu zögern, schob er sie in ihre Kammer, stellte die Lampe neben dem Bett ab und schlug die Decke zurück. Peinlich berührt, blickte sie von ihm zu ihrem Bett.
«Das gehört sich nicht. Lasst mich allein.»
«Erst wenn ich sicher bin, dass Ihr schlaft.» Er verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Gesicht war todernst. «Das ist eine Anordnung Eures Arztes», setzte er hinzu.
Sie legte die Scherben zur Seite und verschränkte nun ebenfalls ihre Arme.
«Auch wenn Ihr als Arzt sprecht, kann ich es nicht gutheißen, dass Ihr mit mir in dieser Kammer bleibt. So kann ich nicht … ich kann mich nicht entkleiden.»
«Wenn das alles ist.» Demonstrativ drehte er ihr den Rücken zu. Verärgert runzelte sie die Stirn. Da er sich jedoch nicht rührte, schüttelte sie nur seufzend den Kopf und schlüpfte in Windeseile aus ihrem Kleid. Mit einem Satz war sie im Bett und unter ihre Decke gekrochen.
«In Ordnung, ich liege im Bett. Seid Ihr nun zufrieden?» Sie schnappte nach Luft, als er sich ruhig wieder umdrehte und den Hocker aus der Zimmerecke heranzog.
«Was soll das denn? Was wollt Ihr?» Sie drehte sich auf die Seite, damit sie ihn im Blick behalten konnte.
«Ich will hier warten, bis Ihr eingeschlafen seid.»
«Lasst mich in Frieden.» Seine Anwesenheit würde ihr mit Sicherheit den Schlaf rauben. Sie schloss die Augen und hörte seinen Atem gehen.
«Das kann ich nicht», erwiderte er leise. «Ich mache mir Sorgen um Euch.» Als sie die Augen wieder
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