Tod im Beginenhaus
wenn nicht der gesamten Stadt.
Die Ratsherren saßen heute nicht, wie sonst üblich, geordnet auf ihren Plätzen, sondern liefen wie aufgeregte Hühner durcheinander. Wie unschwer zu erkennen war, gab es zwei Fronten unter den Männern, die einander beschimpften und zu überschreien versuchten. Aus dem Stimmengewirr ließ sich jedoch beim besten Willen nicht heraushören, was die Ratsherren so sehr gegeneinander aufbrachte.
«Eine Unverschämtheit, da mache ich nicht mit!», schimpfte einer der Räte gerade und stürmte zur Tür. «Diese Abstimmung ist nicht rechtskräftig! Ohne mich, hört Ihr, ohne mich! Weg da!» Der beleibte Mann stampfte auf Adelina zu und schubste sie so grob zur Seite, dass sie stolperte und um ein Haar gefallen wäre. Im nächsten Moment fiel die Eingangstür krachend hinter ihm ins Schloss.
Ein anderer Ratsherr warf nun die Saaltür vor ihrer Nase heftig zu, und so blieb Adelina und dem Medicus nichts anderes übrig, als auf das Ende der Sitzung zu warten. Lange dauert es nicht, da sprang die Tür wieder auf, und eine ganze Traube von wild durcheinander redenden und gestikulierenden Männern quoll aus dem Saal.
Ein paar wenige Räte waren noch drinnen und diskutierten heftig. Einer von ihnen, der stadtbekannte Holzhändler Werner Overstolz, löste sich aus der Gruppe und trat auf den Gang heraus. Burka hielt ihn am Ellbogen fest.
«Was …?» Unmutig entzog der kleine, kugelrunde Mann seinen Arm dem Griff, dann erkannte er den Medicus und nach einem weiteren Blick auch Adelina. Er rang sich ein Lächeln ab. «Kann ich Euch behilflich sein?»
«Verzeiht, dass wir Euch aufhalten.» Burka trat zur Seite, weil ein weiterer Ratsherr grußlos das Haus verließ. «Ich würde gern mit Herrn von Assenheym sprechen.»
«Assenheym?» Bedauernd schüttelte Overstolz das kahle Haupt. «Der war heute überhaupt nicht in der Sitzung. Ließ durch einen Boten ausrichten, er habe wieder einen schlimmen Fuß. Behandelt Ihr ihn?» Mit aufflammendem Interesse musterte er den Medicus. «Ihr sollt ein vernünftiger Mann sein. Keine Metalle, keine giftigen Pulver. Nur Gutes hört man von Euch.»
«Das freut mich zu hören», erwiderte Burka. «Dann werde ich ihn zu Hause aufsuchen müssen.»
«Das werdet Ihr wohl. Richtet ihm aus, er habe sich keinen ungünstigeren Tag für sein Kranksein aussuchen können. Wir hätten ihn heute dringend gebraucht.» Nun kehrte der Groll in seine Stimme zurück. «Jetzt haben wir einen zweifelhaften Ratsentscheid am Hals, weil nicht alle Männer anwesend waren.»
«Es fehlten heute noch mehr Herren?» Adelina trat einen Schritt näher. Overstolz nickte grämlich.
«Zur Weihnachtszeit nichts Ungewöhnliches. Viele sind auf Familienbesuch außerhalb. Natürlich hat sich Hilger diese Zeit absichtlich ausgesucht, um den Rat unter Druck zu setzen.»
«Wie kann Hilger Quattermart den Rat unter Druck setzen?»
Overstolz blickte Adelina an, als sei sie schwer von Begriff.
«Mit Geld, mit Privilegien. Was dachtet Ihr denn?»
«Und was hat er damit bewirkt?» Nun wurde auch der Medicus hellhörig.
Der Ratsherr schnaubte aufgebracht.
«Die Löschung der Verbannung seines Onkels aus dem Eidbuch der Stadt.» Er senkte seine Stimme. «Jetzt kann sich der Mistkerl wieder frei wie ein Vogel in Köln aufhalten. Ich mag Euch gar nicht sagen, wie mich das ärgert. Dabei war die Abstimmung nicht gültig. So weit ist es in unserer Stadt schon gekommen!»
Adelina hielt es für richtig, zustimmend zu nicken, während sie über die Schulter des Ratsherrn in den Sitzungssaal linste. In der Gruppe der verbliebenen Ratsherren stand auch Reinhilds Witwer, Georg Reese. Er sah zu ihr herüber, und seinem Gesicht war anzusehen, dass ihr Anblick ihn alles andere als freudig überraschte. Rasch schaute sie weg.
«Wir sollten gehen», murmelte sie. Burka sah in den Sitzungssaal. Er hatte verstanden.
«Es war ein schwerer Tag.» Er wandte sich wieder an Overstolz. «Habt Ihr schon von der Krankheit im Beginenhospital gehört?»
«Das Narrenhaus? Natürlich. Das war heute ebenfalls Thema der Sitzung. Diese Irmingard, die Vorsteherin, hat uns mitteilen lassen, dass bei ihnen Antoniusfeuer ausgebrochen sei.» Angewidert schüttelte er sich. «Musste ja so kommen. Ein Haufen kranker Irrer in einem Haus, wer weiß, was die uns noch alles einschleppen!»
Bei diesen Worten wollte Adelina schon empört protestieren, doch Burka kniff sie rasch und für die Augen des Ratsherrn unsichtbar in den Arm. Zu
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