Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
Wahlspruch, Frank: Die Straße des Exzesses führt zum Tempel der Weisheit. Und mit ebendieser Weisheit erkenne ich, dass ich jetzt mal lieber ein Stück Brot essen und eine Tasse Kaffee trinken sollte.« Sprach’s und verschwand für einige Zeit in seinem Laden.
Beaufort brannte darauf, Anne von Schifferlis Tod zu erzählen. Da sie etwas abseits saßen, berichtete er ihr mit gedämpfter Stimme vom Fenstersturz in der Kochstraße und seinen Recherchen in Erlangen. Während er sonst sehr genau abwog, wem er welche Aspekte anvertraute, sagte er Anne die ganze Wahrheit, in kurzen Worten zwar, aber ohne Abstriche. Als er geendet hatte, sah sie ihn vorwurfsvoll an.
»Sag mal, spinnst du? Du kannst doch nicht einfach das Handy mitgehen lassen! Das ist ein Beweisstück.«
»Die Polizei interessiert sich doch überhaupt nicht dafür«, verteidigte er sich.
»Das würde ich mir auch einreden, wenn ich es gemopst hätte. Natürlich wird die Polizei nach dem Telefon suchen. Was hast du dir bloß dabei gedacht?«
»Die Gelegenheit war einfach zu günstig. Ich wollte wissen, wer Schifferli und wen er zuletzt angerufen hat. Und ich dachte, vielleicht benutzt er den elektronischen Terminkalender im Handy. Auf seinem Schreibtisch habe ich nämlich keinen anderen entdecken können.«
Besonders reumütig klang ihr Freund nicht gerade, fand Anne. Andererseits war sie als Journalistin von Natur aus neugierig und musste bei der Informationsbeschaffung auch mal fünf gerade sein lassen. »Na ja, wenn du das Ding schon da hast, können wir auch mal reinschauen.«
Er angelte es aus der Sakkotasche und reichte es seiner Freundin. »Kannst du damit umgehen?«
»Ich hatte noch kaum ein iPhone in der Hand. Seit die blöde Ines extra nach New York geflogen ist, um die erste mit so einem Teil zu sein und es bei jeder sich bietenden Gelegenheit in der Redaktion aus der Tasche holt, um schnell etwas im Internet nachzuschauen, ist mir die Lust an diesen Smartphones etwas vergangen. Aber so schwer sind die nicht zu bedienen.«
Es gelang Anne flott, an die entsprechenden Informationen heranzukommen. Da Tom Schifferli seine elektronische Adressdatei gut gepflegt hatte, ließen sich die Telefonate der vergangenen vierundzwanzig Stunden alle zuordnen. Die letzten beiden Anrufe waren heute am späten Vormittag von Dr. van der Veldts Büro im Botanischen Garten eingegangen. Der späteste Anruf gestern Abend war um 22.24 Uhr von Dr. Neudeckers Handy aus erfolgt. Am frühen Abend hatten noch ein Professor Corrodi aus Bamberg angerufen, den Beaufort anhand der Liste der Kuratorin als Chef der Sternwarte und der Astronomischen Sammlung identifizieren konnte, und seltsamerweise Professor Harsdörffer. Beide Gespräche hatte Schifferli angenommen. Bei den ausgehenden Telefonaten gab es eines gegen 17.00 Uhr mit einem Professor Adler in Nürnberg, der sich als Betreuer der Zoologischen Sammlung entpuppte, sowie eines gegen 18.30 Uhr mit Professor Gäbelein. Beaufort erinnerte sich sofort an den etwas steifen Gelehrten auf Harsdörffers Jour fixe, der enthemmt vom Bier dann noch dessen Cognacvorräte dezimiert hatte. Auch er leitete eine Sammlung, wie ein Blick auf Neudeckers Liste zeigte: die derUr- und Frühgeschichte in der Kochstraße. Schifferlis letzter Anruf um 22.32 Uhr war vergeblich gewesen, denn Mareike van der Veldt hatte das Telefonat nicht angenommen. So weit deckten sich die Aussagen der Biologin also mit den Fakten. Beaufort holte sein ledernes Notizbuch hervor und notierte darin alle Anrufe. Der Anrufbeantworter auf dem Smartphone war leider leer.
Dann öffnete Anne den elektronischen Terminkalender im Handy. Tatsächlich hatte Tom Schifferli ihn benutzt, aber nur sehr kryptische Einträge gemacht. Für heute etwa standen dort: 8.30 CHA, 11.00 VV, 15.00 ZOO, 19.00 KWmA. Anne diktierte und Beaufort schrieb sich sämtliche Termine der vergangenen und der kommenden acht Tage bis zur Ausstellungseröffnung auf.
»Wie wollen wir die bloß alle entschlüsseln?«, entfuhr es Anne.
»Ganz leicht wird das nicht«, stimmte er zu, »aber ein paar kann ich aus dem Stegreif herleiten. Den Termin mit mir heute um halb acht hat er nicht eingetragen, aber um halb neun war ein Treffen mit der Neudecker vorgesehen. Ich denke mal, dass CHA für ihren Vornamen Charlotte steht. Dieses Kürzel findet sich ja fast täglich in seinen Terminen. Mit VV ist ganz bestimmt van der Veldt gemeint. Denn mit der hatte er ja am Vormittag etwas ausgemacht. Und ZOO
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