Tod im Dünengras
hinzu und goss einen Teil davon in
die Pfanne, in der sie gleichzeitig das Olivenöl erhitzt hatte. Als die Masse
am Rand zu stocken begann, holte sie einen groÃen Teller und legte ihn auf die
Pfanne. Erik und Felix wandten sich ängstlich ab und drehten sich erst wieder
um, als zufriedenes Gemurmel darauf hoffen lieÃ, dass sowohl das Omelette als
auch Mamma Carlotta das Wenden ohne Schaden überstanden hatten.
Erik und Felix machten sich gerade über das Pfefferminzomelette her,
als das Telefon klingelte. Die Antwort auf Felixâ Frage, warum eine Tante, von
der er noch nie etwas gehört hatte, einen Besuch bei ihnen machte, verschob
Erik auf später, weil er feststellte, dass der Anruf, den seine Schwiegermutter
soeben entgegennahm, von Adriano Girotti aus Neapel kam.
Carolin kam nach Hause, während Mamma Carlotta die GrüÃe ihrer
Cousine entgegennahm und sich erzählen lieÃ, dass der Hochzeitstag des
Mafia-Spezialisten ein voller Erfolg gewesen sei, da Federica ihm und seiner
Frau höchstpersönlich eine köstliche Mattonella di castagne zum Dessert
bereitet habe.
»Ihr habt schon mit dem Essen angefangen?«, fragte Carolin
enttäuscht.
Erik lieà sofort die Gabel sinken. »Wir konnten ja nicht wissen,
wann du kommst.« Diplomatisch fügte er an: »Und ob du überhaupt mit uns essen
willst.«
Er beobachtete seine Tochter, wie sie zum Herd ging und aus der
verbliebenen Ricotta-Eier-Mischung ein weiteres Omelette zubereitete. Anscheinend
wollte sie noch immer kein Wort mit ihm reden.
»Willst du nicht warten, bis die Nonna zu Ende telefoniert hat?«,
fragte er vorsichtig. »Das Omelette muss gleich gewendet werden. Das ist eine
schwierige Sache.«
Carolin stieà einen Laut aus, der sowohl Zustimmung als auch
Verachtung ausdrücken konnte, aber immerhin hatte sie auf die Worte ihres
Vaters reagiert. In Erik erwachte die Hoffnung, dass sie bald wieder in
verständlichen Worten und ganzen Sätzen mit ihm reden würde.
Da er nicht davon ausgehen konnte, dass Mamma Carlotta sich kurz
fassen würde, nutzte er diese Gelegenheit, seinen Kindern mitzuteilen, dass ein
entfernter Verwandter auf Sylt zu Tode gekommen sei. Sie mussten es endlich
erfahren, spätestens jetzt, wo Giovannas Besuch ins Haus stand. Und da es nicht
mehr nötig war, von einem Mafioso zu reden, würden die Kinder diese Nachricht
gefasst aufnehmen.
Zufrieden stellte er fest, dass er für diese Sensation die
ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Tochter erhielt. Wenn Felix seinen Vater nicht
gleich mit Fragen bestürmt hätte, wäre Erik vielleicht sogar in den Genuss
einer Anmerkung Carolins gekommen. Aber er war schon zufrieden, dass sie ihn
anblickte und er in diesem Moment sogar wichtiger war als das
Pfefferminzomelette, das leise zischend an seine Anwesenheit erinnerte.
Ohne auch nur ein Wort über die Mafia zu verlieren,
berichtete Erik von dem dritten Toten und stellte dann fest, dass Carolin das
Wenden des Omelettes genauso gut gelang wie ihrer GroÃmutter. Als sie sich an
den Tisch setzte und zu ihrer Gabel griff, war der Blick, mit dem sie ihren
Vater bedachte, sogar beinahe so freundlich, als hätte es nie einen Florian
oder Michael oder eine Familie Silbereisen gegeben. Und dann â Erik konnte sein
Glück nicht fassen â richtete sie tatsächlich das Wort an ihn. »Wie
schrecklich! Schon wieder ein Raubmord! Und das Opfer ist sogar ein
Verwandter?«
Die Freude machte Erik gesprächig. Und während Mamma Carlotta ihr
Telefonat mit dem italienischen Commissario führte, erfuhren Felix und Carolin
alles über Francesco, was ihre kindlichen Seelen verkraften konnten, und auch,
warum Giovanna eigens aus Chiusi anreiste.
»Sie muss ihn identifizieren?« Dass Felixâ Seele sämtliche
Neuigkeiten ohne jeden Schaden überstanden hatte, war so gut wie sicher. »Kann
ich mitkommen? Ich habe noch nie einen Toten gesehen. Henner Jesse lebte ja
noch, als wir ihn fanden. Ein Besuch in der Pathologie â das wärâs!«
Erik machte ihm klar, dass Sensationslust in einem so tragischen
Fall nicht angebracht sei, und schlug ihm stattdessen vor, Mamma Carlotta nach
ihren Erfahrungen in der Pathologie zu fragen. »Dann werdet ihr hören, dass es
dort nicht besonders gemütlich ist.«
Erst bei dieser Gelegenheit erfuhren die Kinder, dass ihre Nonna
einen Besuch bei Dr. Hillmot hinter sich hatte. Die
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