Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
wirklich zum Anbeißen ausgesehen, kein normaler Mann hätte da widerstehen können. Doch Herr Schweitzer ahnte es. „Hat Sven …“
Wie von der Tarantel gestochen fuhr Laura herum und explodierte: „Erwähne nie mehr diesen Namen.“
Okay, okay, er hatte verstanden. Kein Sven mehr.
„Entschuldige“, fügte sie kleinlaut hinzu und drehte sich um.
Als er ihr tränenüberströmtes, lidschattenverschmiertes Gesicht sah, stand er auf und nahm sie in den Arm. „Nicht weinen.“
Die Worte bewirkten das Gegenteil. Für zwei Minuten ergossen sich Kaskaden von Tränen auf seine Schulter. Dann hatte Laura sich wieder gefaßt. „Dieser Depp weiß doch gar nicht, was er an mir gehabt hätte.“
„So ist’s richtig.“
Gleichzeitig klingelte das Telefon. Es war ein aufgebrachter Semmler, der Herrn Schweitzer umgehend zu sprechen wünschte, sein Chef Günther sei gestern zusammengeklappt, es gäbe einiges zu besprechen. Man verabredete sich im Lesecafé.
Punkt Zehn traf Herr Schweitzer ein. Ein durchnächtigter Apfelweinkellner Semmler erwartete ihn bereits. Sie waren die ersten Gäste.
„Guten Morgen. Hast du schon bestellt?“
„Ja, Kaffee.“
„Für mich auch, bitte.“
„Tasse oder Kännchen?“ fragte die junge, adrette Bedienung.
„Kännche, bitte.“
Nachdem sie sich wieder entfernt hatte, sagte Herr Schweitzer: „So, jetzt erzähl. Was war los gestern? Wie geht’s Günther?“
Semmler faltete die Hände, suchte einen Anfang. „Wieder ganz gut. Hat vom Arzt eine kreislaufstabilisierende Spritze erhalten. Ist einfach umgefallen und ich stand dabei. Wußte gar nicht, wie ich mich verhalten sollte. Hätte ja auch tot sein können, ich kenn mich da nicht aus. Zum Glück war Ines noch da und …“
„Welche Ines?“ fragte Herr Schweitzer, sich an seine gegen Weizenwetter verlorene Wette erinnernd.
„Die …“, Semmler grinste, „… die hübsche.“
„Wann war das?“
„Wir hatten gerade Abrechnung gemacht. Günther war schon den ganzen Abend nervös, hat sich auch verrechnet, was sonst gar nicht seine Art ist, und dann ist er einfach umgekippt.“
„Und?“
„Na ja, Ines hat ihm dann den Puls gefühlt und sofort einen Krankenwagen geholt. Aber als die endlich da waren, war Günther schon wieder auf den Beinen. Die Spritze haben sie ihm aber trotzdem gegeben und gesagt, er solle mal dringend zu seinem Hausarzt gehen.“
Der Kaffee wurde gebracht. Herr Schweitzer verzichtete auf Zucker, nachdem er beim Einkleiden vorhin seine Figur betrachtet hatte.
„Ich hätte dich ja normalerweise nicht so früh aus dem Bett geklingelt, ich weiß ja, du schläfst gerne aus, aber ich bin mir mittlerweile so gut wie sicher, das mit Günther ist wegen der Mafia. Das ist alles kein Zufall mehr.“
Ein älterer Herr zerrte einen vor Christus geborenen Dackel ins Café und setzte sich an den Tisch neben der Tür.
Herr Schweitzer dachte nach. Der Anschlag auf Bertha. Die Sprühaktion beim Frühzecher und jetzt Günther. Und während er so nachdachte, sich eins zum anderen fügte, erklärte der Apfelweinkellner Semmler: „Und Karl von der Kladde zahlt bereits.“
„Schutzgeld?“
„Schutzgeld.“
„Woher weißt du das?“
„Hab ihn gefragt.“
„Wie gefragt? Einfach so?“
„Einfach so.“
„Ist ja irre.“
„Was soll daran irre sein? Ich wollte was wissen, also hab ich gefragt.“
Herr Schweitzer kannte Semmler seit vielen Jahren. Oft war man sich auch außerhalb der Sachsenhäuser Kneipenwelt über den Weg gelaufen. Zu einer echten Freundschaft aber war die Beziehung nie gewachsen. Doch Semmlers direkte Art, auf die Leute zuzugehen, verblüffte ihn stets aufs neue. Er fragte: „Und was sollen wir deiner Meinung nach jetzt tun?“
„Lieber eine Kerze anzünden, als über Finsternis klagen“, antwortete Semmler souverän und verriet damit obendrein stupende Kenntnisse fernöstlicher Redewendungen.
Es verging eine Weile, bevor Herr Schweitzer erwiderte: „Vielleicht hast du recht, die Mafia ist schließlich kein Naturphänomen.“
„Mit Sicherheit nicht. Ich denke, wir sollten uns alle mal zusammensetzen. Bertha, René, Karl, du und ich, Maria vielleicht. Günther sollten wir aus der Sache raushalten. Die Nerven.“
Herrn Schweitzer durchlief ein Schauer. Schon einige gefährliche Situationen hatte er in seinem Leben durchlaufen und heil überstanden. Aber die Mafia, das ist so ungefähr das Gefährlichste auf der Welt, was es gibt. Außer Doppel-Doof Bush vielleicht, von
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