Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
dessen Wiederwahl er felsenfest überzeugt war, schließlich glaubte die Hälfte der Amis auch wortwörtlich an die biblische Schöpfungsgeschichte, obwohl deren Bildungsniveau eher an eine ErSchöpfungsgeschichte gemahnte.
„Und du, hast du keine Angst?“
„Wer Angst vorm Sterben hat, hat auch Angst vorm Leben“, bewies der Apfelweinkellner auch auf philosophischem Terrain profundes Wissen.
„Du ähnelst Buddha immer mehr.“
„Ich versuche nur, meinen Geist meinem Körper anzupassen.“ Liebevoll streichelte er seinen Kugelbauch.
In einem Anflug von Wahn wischte Herr Schweitzer all seine Ängste und Bedenken beiseite. Noch war ja alles bloß blanke Theorie. „Wann wollen wir uns treffen?“
„Nach Mitternacht im Weinfaß, ich sag den anderen Bescheid. Bring du deine Maria mit, die scheint mir Mumm zu haben.“
Mehr Mumm als ich jedenfalls, dachte Herr Schweitzer.
„Den Kaffee zahl ich, du bist eingeladen“, erklärte Semmler kategorisch.
„Danke.“
„Ach, übrigens …“
„Ja?“
„Ab morgen arbeite ich mittags auch im Dautel. Falls du mal Lust hast vorbeizuschaun, die haben da einen astreinen Elsässer Flammkuchen.“ Mit Daumen und Zeigefinger formte er das Gütesiegel.
„Gut, ich geh dann mal.“ Herr Schweitzer erhob sich.
„Ja, bis heute abend.“
„Und danke für den Kaffee.“
„Nichts zu danken“, sagte Buddha Semmler.
Herr Schweitzer verließ das Lesecafé und ging auf die Schweizer Straße einkaufen. Zum Abendessen mit Maria wollte er einen Kartoffel-Auberginen-Auflauf zaubern.
Das Wetter konnte sich immer noch nicht zwischen Winter und Frühling entscheiden. Ihn fröstelte. Einer inneren Eingebung folgend kaufte er in einem Teeladen einen Teddybären, der ihm aus dem Schaufenster zulächelte.
Dann ging er noch kurz bei sich vorbei, überzeugte sich davon, daß Laura trotz ihres desolaten Gemütszustandes arbeiten gegangen war und drapierte das Plüschtier auf ihrem Bett. „Auch wenn alle Männer der Welt nichts taugen, Simon und Teddy haben Dich lieb“, schrieb er auf einen Zettel. Herr Schweitzer wußte, daß Laura für so etwas empfänglich war, auch oder gerade weil es mit der anderen Empfängnis nicht so recht klappen mochte. Er gähnte. Zeit für sein Nickerchen.
Der Kartoffel-Auberginen-Auflauf war einer der besten seines Lebens, dennoch war Herr Schweitzer überhaupt nicht gut drauf. Sein obligatorischer Mittagsschlaf war zur Farce geworden, denn bereits nach wenigen Minuten war er von Maschinengeräuschen brutal geweckt worden. Ein Spezialfahrzeug mit Reifen wie von einem Bulldozer entlud unter lautem Getöse einen fast zwei Meter hohen Block Carrara-Marmor.
„Was ist denn das?“ fragte er seine Liebste, nachdem er seinen Alabasterkörper nach draußen gewuchtet hatte.
Maria von der Heide strahlte vor Glück. „Marmor, den besten, den es gibt.“
Dunkel erinnerte Herr Schweitzer sich, vor ein paar Tagen von Maria davon erzählt bekommen zu haben. Neue Wege wolle sie gehen. Immer nur mit Holz und Metall zu arbeiten, behindere auf Dauer ihre Kreativität. Schon im Winter hatte die international anerkannte Bildhauerin die Alte Brücke über dem Main im Stile des Engländers William Turner mehrmals auf ihrem Zeichenblock verewigt. Herr Schweitzer fand, daß sie auch dazu Talent besaß. Eines dieser Werke hatte er von Maria zu Weihnachten geschenkt bekommen und es zierte nun die Wand über der gotischen Stollentruhe in seinem Zimmer.
„Soll ich den jetzt ins Atelier tragen?“
„Scherzkeks. Der kommt in die Garage, die machen das schon.“
Nachdem die Aktion beendet war, verzog er sich schleunigst wieder ins Bett, doch der zweite Mittagsschlafversuch war ein Schlag ins Wasser, auch die nötige Konzentration war weg.
Etwas übermüdet – Herr Schweitzer – und frohgelaunt – Maria – war man dann ins Weinfaß aufgebrochen, etwa zwanzig Minuten Fußweg vom Lerchesbergring entfernt. Unterwegs hatte er ihr schonend erklärt, daß später noch ein paar von der Mafia bedrohte Wirte vorbeikämen, um sich ob dieser Gefahr zu beraten. Maria hatte dies mit einem Schulterzucken abgetan, gerade so, als handle es sich bei dieser Organisation um ein paar harmlose Halbwüchsige. Abermals verstand er seine Freundin nicht. Frauen sind doch auch sonst eher ängstlich und müssen permanent von den Herren der Schöpfung vor allem möglichen Ungemach wie Mördern, Spinnen und Mäusen beschützt werden.
Im Weinfaß, seit zwei Jahren Dreh- und Angelpunkt ihrer
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