Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
beziehen sind. Bei Ortsfremden, die sich noch nicht sonderlich an dieses Frankfurter Spezialgetränk gewöhnt haben, führt er anderntags oft zu heftigen Durchfallerscheinungen sowie brutalen Kopfschmerzen, auch wenn die genossene Quantität eher geringfügig war, also keineswegs der eines gestandenen Alkoholsüchtigen entsprach. Ferdi, der Taxifahrer, hatte Herrn Schweitzer einst gesteckt, daß insbesondere asiatische Geschäftsleute, die trinktechnisch zu den bestausgebildeten überhaupt gehören, bei ihrem ersten Apfelweingelage arge Probleme bekommen, die sich manchmal in einem vollgekotzten Fahrgastraum äußern. Da der gemeine Asiate durch diese im wahrsten Sinne des Wortes überflüssige Reaktion aber sein Gesicht zu verlieren droht, was bei enger Sittenauslegung einen veritablen Suizid nach sich ziehen kann, wurde Ferdi schon mehrmals mit hohen Geldsummen für diese Unannehmlichkeiten entschädigt. Gewiefte asiatische Direktoren entsandten deshalb zu den diversen Frankfurter Messen nur noch erfahrenes Personal, das seine Feuertaufe bezüglich des Apfelweins schon hinter sich gebracht hatte. Vor etwa zwei Jahren hat sich in Kyoto eine Firma etabliert, die in schweineteuren Lehrgängen den Apfelweinumgang lehrt. Auch Frauen waren da sehr gefragt, da sie aufgrund einer geschlechtsspezifisch viel kleineren Leber vom Vieltrinken beträchtlich mehr Abstand halten, sofern sie vernünftig sind. Herr Schweitzer suchte also die Toilette auf.
Als er fünfzehn Minuten später den Schoppepetzer verließ, hatte er Semmler noch insofern beruhigt, als daß er sich keine Sorgen zu machen brauche, er, Herr Schweitzer, sei auf dem besten Wege, die Mafiaproblematik zu bereinigen, und Günther solle gefälligst von dem Gedanken Anstand nehmen, den Schoppepetzer zu schließen, er solle doch bloß mal an die vielen Rentner denken, denen das Apfelweintrinken sozusagen genetisch mit in die Wiege gelegt worden ist, wo sollen die denn hin, wenn sich alle so hängen ließen wie Günther? Er könne ihn beim Wort nehmen, in spätestens drei Wochen zahlt hier keiner mehr Schutzgeld, dafür stehe er gerade. Herr Schweitzer hatte sich da zwar ganz schön aus dem Fenster gelehnt, war eventuell auch von Gertruds Fusel nachhaltig beflügelt, und Semmler hatte ihn auch recht skeptisch angeschaut, aber Herr Schweitzer war felsenfest von sich überzeugt, es fehlte nur noch ein ausgereiftes Konzept, dann würden dank breiter Unterstützung des Aktionsbündnisses verschiedener Sachsenhäuser Bürger die beiden Mafias schon den Schwanz einziehen und sich trollen.
Herr Schweitzer trollte sich aber erstmal nach Hause. Es war noch gar nicht so spät. Wie ein Pawlowscher Köter freute er sich auf einen extrastark gestopften Joint als Betthupferl. Der würde wie gewohnt sein Bewußtsein erweitern, und, falls er dann nicht sofort einschlief, was aber oft passierte, ihm die ein oder andere Erleuchtung einbringen.
So geschah es. Nachdem Herr Schweitzer seinen gelegentlichen Ritus zelebriert hatte, das erste Tetrahydrocannabinol in die Kapillare gedrungen war, ließ er sich mit einer nachgerade vollendeten Harmonie der Bewegung auf seinem Messingbett nieder, das mitten im Zimmer stand. Er stopfte sich zwei seiner vier Kissen, man hat’s halt gerne bequem, in den Rücken und blickte an den überhängenden Trieben seiner Pilea libanensis vorbei auf die Frankfurter Skyline, die ihm ein Heimatgefühl vermittelte. Draußen tobte sich das Gewitter aus, jetzt fehlte auch der Regen nicht mehr. Das ließ ihn an das Gewitter denken, das sich seit geraumer Zeit in Form übelster Elemente in Menschengestalt über Sachsenhausen zusammenbraute. Er war mit sich zufrieden, seine Position im gesellschaftlichen Leben war ursächlich seines unerschrockenen Auftritts im Frühzecher wieder gefestigt. Jetzt galt es, auch den restlichen, verlorenen Boden wieder gutzumachen. Seit langem war er mal wieder frei von Angst.
Manchmal, wenn einem seiner Bekannten eine grobe Ungerechtigkeit widerfuhr, hatte Herr Schweitzer eine Vision von einer lebenswerteren Welt. Dazu versammelten sich auf sein Geheiß sämtliche Arschlöcher dieser Erde zu einem barbarischen Überlebenskampf in der Sahara. Menschen aller Berufssparten waren vertreten. Selbstredend auch alle Essers und Ackermänner, die den moralischen Abschaum schlechthin verkörperten. Dann wurden Waffen verteilt und man durfte so lange aufeinander feuern, bis nur noch einer übrig blieb. Der Sieger wurde dann mit einer Insel
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