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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Frühjahr erwähnt, daß sie einen neuen bräuchten, aber er war stur geblieben und wollte seinen alten Ferguson behalten. Hier würde es keinen neumodischen Kram geben. Was für den alten Jacobsson gut gewesen war, würde auch für seinen Sohn taugen.
    Der neue Hahn von Henrik krähte triumphierend auf der anderen Seite des Zaunes. Gestern hatte es im Hühnerhaus ein Geschrei und Gegacker ohnegleichen gegeben, als der neue Hahn alle seine Frauen vergewaltigt und damit seine Macht demonstriert hatte.

6
    Die ureigene Geruchsmischung der psychiatrisch-geriatrischen Station aus Scheuermittel, Urin und frisch gebrühtem Kaffee zog ihr in die Nase.
    »Mona, Mooona! Wo bist du?« Sie kauerte sich auf der Toilette zusammen und machte sich kleiner, indem sie die Arme um die Knie schlang und den Kopf nach vorn legte. Die Armmuskeln taten ihr weh, nach der ungewohnten Anstrengung, den schweren Männerkörper zum Auto zu tragen. Die Beine brannten vor Müdigkeit. Und das, obwohl sie nach zwanzig Jahren auf der Langzeitpflegestation keine schlechte Kondition hatte. Der Stützstrumpf auf dem geschwollenen Bein scheuerte unter der weißen Synthetikhose. Es pochte schlimm, aber sie traute sich nicht, den Strumpf abzuziehen und sich das Bein anzusehen. Bestimmt würde sie den Strumpf kaum mehr wieder drüber bekommen.
    »Mooona!« Die Stimme war jetzt etwas lauter, etwas fordernder und ärgerlicher. Mona spürte, wie die Müdigkeit sie wieder zurückzog, als sie versuchte, sich von der Toilette zu erheben. Sie sah sich selbst im Spiegel an. Die Haarfarbe ließ jetzt völlig nach. Drei Zentimeter Grau am Ansatz, der Rest goldblond und wellig, wie bei einem jungen Mädchen. Hätte sie Geld gehabt, dann hätte sie sich Strähnchen färben lassen können, aber Wilhelm gab seine Brieftasche nicht gern für solchen unnötigen Kram her. Einmal hatte sie versucht, die Haare selbst zu färben, aber das Ergebnis war völlig anders gewesen, als sie es sich vorgestellt hatte. Du siehst aus wie eine verdammte Hure, hatte ihr Vater Anselm gesagt. Das war nicht neu, aber doch traurig zu hören, wenn es die Wahrheit war. Als sie an dem Tag in den Laden gehen mußte, um Haferflocken zu kaufen, hatte sie alle Haare unter eine Baskenmütze gestopft. Es war dann ein ganzer Monat mit Baskenmütze daraus geworden, ehe sie sich mit ihren Haaren hatte anfreunden können. Außerdem war es auch nicht immer hübsch mit der Farbe, zumindest nicht mit den Strähnchen. Nicht, wenn man auf der Langzeitpflege arbeitete und schon fast alles an menschlicher Erniedrigung gesehen hatte, was es gab. Mehr als einmal hatte sie Frauen abgeduscht, die sich hellbraune Strähnchen gefärbt hatten, und zwar mit der Farbe, die die Natur selbst zur Verfügung stellte und die im Pflegeprotokoll unter der Rubrik »Stuhlgang« zu finden war.
    »Mona!« Im Kopf hämmerte es noch viel stärker als die Faust an die Toilettentür. »Bist du bald fertig? Ich brauche Hilfe in der 22. Edvin ist auf den Fußboden gerutscht. Wollte wieder raus und die Kühe melken. Er vergißt immer die Klingel. Bist du da drin?«
    »Mmm.« Mona stand auf und drehte den Wasserhahn an. Das Wasser bildete einen Wirbel, der ihr Schwindel verursachte. Immer rundherum mit einer Geschwindigkeit, die den Blick rotieren ließ und ihn in das schwarze Loch saugte. Sie wollte sich erbrechen und nach Hause gehen, aber der Magen war leer.
    »Du hast doch wohl bei Svea den Blutzucker gemessen, oder?« Nein, das hatte sie nicht getan, aber jetzt saß die Alte im Bett und aß, da konnte sie sich ruhig mal einen Wert ausdenken.
    »6,4. Ich schreibe ihn nachher auf.«
    »Und den Blutdruck?«
    »Na klar.« Mona war froh, daß Iris ihr Gesicht nicht sehen konnte. Wenn sie nur nicht nach Wilhelm fragte, dann würde dieser Tag vielleicht ohne Katastrophe enden. Sie machte die Tür auf und sah Iris, die Stationsschwester, mit zusammengekniffenen Augen an.
    »Ihr auf der A-Seite putzt heute den Spülraum. Geht es dir nicht gut? Du bist ganz weiß im Gesicht.«
    »Nur etwas den Magen verdorben. Ich glaube, das war die Leberpastete, die ich gestern gegessen habe.«
    »Ja, über die Hundstage muß man aufpassen und darf das Essen nicht zu lange draußen stehen lassen. Ist Wilhelm dann jetzt aufs Festland gefahren?« Die Frage war unangenehm. Die intensiv blauen Augen von Iris strahlten direkt in die Pupille. Mona konnte sich nicht wehren, konnte den Kopf nicht drehen. Der Mund von Iris bewegte sich, aber Mona konnte ihre Worte

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