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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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nicht länger verstehen. Die rotbemalten Lippen, die sich auf unbegreifliche Weise bewegten, brachten seltsame unmotivierte Laute ohne Sinn hervor. Es rauschte ihr in den Ohren, und in dem Rauschen war der durchdringende hohe Ton, der alles andere übertönte und wie ein Sägeblatt durch die Kopfhaut schnitt.
    »Mir ist schlecht!« Halbblind tastete sie sich zurück zur Toilette und kniete sich vor die Schüssel. Die Hand von Iris brannte auf ihrer Schulter. »Ich komme schon klar. Geh du zu Edvin.«
    Sie konnte nur hoffen, daß die Worte an den jammernden Lauten vorbeikamen, die sie produzierte. Vielleicht war ihre Stimme nur ein Wispern in einem Chaos aus anderen Geräuschen. Die Hand ließ los. Die weißen Clogs traten über die Schwelle und in den Flur hinaus. Mit einer hastigen Bewegung schloß Mona die Tür und schaltete das Licht aus. In der Dunkelheit gab es ein klein wenig Geborgenheit, da konnte sie sich noch mal einen Moment lang zusammenkauern.
    Mona versuchte, sich an das Leben zu erinnern, das sie geführt hatte, ehe das Schreckliche eintraf. Worüber hätte sie nachgedacht, wenn dies ein ganz gewöhnlicher Tag wäre? Wenn nichts geschehen wäre? Dann hätte sie sich auf den Abend gefreut, die kleine Zeit am Abend, wenn sie in Wilhelms Abwesenheit sie selbst sein durfte. Wenn Anselm verstummt und die tägliche Arbeit zu Hause beendet wäre. Vielleicht hätte sie sich in einen Fernsehfilm geflüchtet und für einen Augenblick ihr Schicksal mit dem der Heldin vertauscht, wäre lächelnd und selbstsicher in die schöne Welt eingetaucht. Sie hätte die Füße aufs Sofa gelegt, denn Wilhelm wäre nicht da gewesen, um es ihr zu verbieten. Sie hätte aus reinem Trotz auf dem Sofa in der guten Stube zu Abend gegessen. Und das, obwohl die heiligen gestickten Kissen seiner Mutter und der helle Bezug des Sofas in der Gefahrenzone gewesen wären, für den Fall, daß sie kleckerte.
    Vom Eiergeld in der runden Kaffeedose über dem Herd hätte sie sich eine Tüte Süßigkeiten gekauft, Salzheringe und englisches Lakritzkonfekt. Das heißt, wenn nicht Christoffer alles Geld genommen hatte, als er gestern nachmittag zu Hause gewesen war.
    Die Jungen! Wann würde sie ihnen sagen, daß … der Vater … vermißt wurde? Erst mußte sie abwarten, ob die Polizei sich bei ihr meldete, und dann … Mona spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Wenn sie nicht schon am richtigen Ort gesessen hätte, wäre es ziemlich eilig gewesen. Und dann war da das Weinen, das erst unangenehmerweise die Nase verstopfte und dann die Zunge mit einem salzigen Geschmack belegte.
    »Wie geht es dir?« Die Stimme der Stationsschwester bahnte sich einen Weg in die Dunkelheit.
    »Ich werde es überleben.« Mona erschrak über ihre eigenen Worte. Warum sagte sie das? Überleben. Konnte sie sich nicht mehr auf ihren Mund verlassen? Wie sollte sie es schaffen, den ganzen Tag zu arbeiten, ohne daß jemand merkte, daß mit ihr etwas nichts stimmte? Wenn man ihr sagte, was geschehen war, würde sie ihre Angst ausleben können und weinen und zusammenbrechen, aber jetzt noch nicht. Auf keinen Fall jetzt.
    »Glaubst du, daß du es schaffst, heute zu arbeiten, oder soll ich eine Vertretung anrufen?«
    Mitten in den Ferien eine Vertretung anrufen, wenn die Sonne schien und die Leute gerade alle am Strand saßen! Natürlich würde sie jetzt niemanden finden, das war doch klar. Außerdem würde Anselm sich fragen, warum sie am hellichten Vormittag nach Hause kam. Und wenn er mal anfing nachzudenken, würde er sich bestimmt über das eine oder andere wundern.
    »Ich komme gleich.«
    »Falls du eine Magen-Darm-Grippe hast, ist es am besten, wenn du nach Hause fährst. So was können wir im Sommer nicht auf der Station gebrauchen. Aber du hast ja Leberpastete gegessen. Davor muß man sich hüten, wenn sie schon zu lange in der Wärme gestanden hat. Genau wie vor Schalentieren. Du hast doch wohl keine Krabben oder so gegessen? Wenn man sie aufgetaut hat, sollte man sie gleich essen. Vorsicht ist geboten, wenn man sie im Restaurant ißt. Ich bestelle niemals im Sommer Krabben. Warst du denn im Restaurant?« fuhr Iris mit der Ursachenforschung fort.
    »Nein.« Mona stand mühsam auf. Riß Papier ab und stellte müde fest, daß es das letzte Stück auf der Rolle war. »Ich kann den Spülraum putzen und mich um die Wäsche kümmern, dann stecke ich niemanden an.« Sie machte die Tür auf und kniff die Augen vor dem Licht zusammen. Der Kittel der Oberschwester war von

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