Tod im Jungfernturm
einem blendenden Weiß.
»Die Küche läßt du heute besser sein.«
»Natürlich.« Wann wird man an seinem Arbeitsplatz endlich wie ein denkender erwachsener Mensch behandelt? dachte Mona und biß die Zähne zusammen.
»Ist Wilhelm heute morgen rechtzeitig losgekommen? Mein Anders war etwas besorgt, daß sie die Fähre vielleicht nicht kriegen würden. Sie wollten sich vorm Hafenterminal treffen. Anders fand die Idee gut, zusammen zu fahren, dann würde er das Auto nicht mit aufs Festland nehmen müssen. Das ist nämlich in der Werkstatt. Irgendwas mit den Bremsen, die überprüft werden müssen. Aber du bist ja ganz grau im Gesicht. Solltest du nicht besser nach Hause gehen?«
»Nein.«
»Leg dich eine Weile ins Schwesternzimmer und ruh dich aus. Wir kriegen das schon hin mit den Spülen, Mona.« Die Oberschwester biß sich auf die Unterlippe. »Und ich hatte vor, dich zu bitten, morgen eine geteilte Schicht zu machen. Jetzt müssen wir mal sehen, wie es wird. Hast du den Antrag auf den Schwesternkurs schon eingereicht? Ich weiß, was du von den Kursen hältst. Aber Mathe ist nicht so schwer, wie du meinst. Alle anderen haben es auch geschafft. Du mußt den Kurs einfach machen, wenn du deinen Job behalten willst. Da haben wir eine Grundsatzentscheidung getroffen.«
Mona stand abrupt auf und hielt sich die Hand vor den Mund. »Du mußt doch wohl nicht noch mal spucken?« Die Oberschwester folgte ihr ein paar Schritte weit in den Flur zur Toilette, blieb dann aber mit hilflos herunterhängenden Armen stehen.
Mona brauchte ein Telefon. Sie mußte ihn so schnell wie möglich warnen. Wenn Anders sich mit Wilhelm verabredet hatte, dann herrschte wirklich große Gefahr. Sie wusch ihr Gesicht in eiskaltem Wasser und trank ein paar Schluck davon aus der Hand. Das Telefon im Schwesternzimmer durfte sie nicht benutzen. Die Stationsschwester erhielt einen Einzelverbindungsnachweis, um kontrollieren zu können, daß keine unnötigen Privatgespräche geführt wurden. Manchmal gab es eine Abrechnung, und man mußte sich rechtfertigen. Mona war das im vorigen Sommer passiert, als Christoffer quer schlug.
Mona stöhnte und sank auf den Boden. Die Magenkrämpfe raubten ihr fast den Atem. Wenn Iris’ Mann am Hafenterminal gewartet hatte, dann mußte er gesehen habe, daß jemand anders mit Wilhelms Auto fuhr. Wenn er nun gemerkt hatte, daß Wilhelm nicht auf der Fähre gewesen war, als sie abgelegt hatte? Sie brauchte ein Telefon.
Mit größter Anstrengung richtete sie sich auf und schlich durch den Flur zum Fahrstuhl, der zum Haupteingang hinunterfuhr. Sie mußte nicht warten. Der Fahrstuhl war abgesehen von ein paar schwarzen Müllsäcken mit dem nächtlichen Aufgebot an Windeln leer. Er hielt mit einem leichten Federn an, das sich sogleich durch ihren Magen fortsetzte.
Die Frau am Kiosk beobachtete sie neugierig. Sie registrierte alles und alle, um ihrem Kreis von Vertrauenskunden als selbstverständlichen Service gleich den neuesten Tratsch weitertragen zu können. Mona spürte ihren Blick, als sie ihr den Rücken zudrehte und den Hörer abnahm. Es war, als würden die stechenden schwarzen Augen ihr über die Nummerntasten folgten. Alte Kuh! Mona sprach so leise sie konnte und hielt die Hand über die Muschel.
»Wir haben doch vereinbart, daß du mich niemals bei der Arbeit anrufen sollst! Niemals!« sagte er, noch ehe sie etwas hatte erklären können.
7
»Denn Valdemar Atterdag war unheilbar versessen auf Frauen!« Der Denkmalpfleger Arne Folhammar sah lächelnd in die Runde und trocknete sich mit einem Papiertaschentuch den Schweiß von der Stirn. Trotz der Hitze, die im Vortragssaal herrschte, trug er Schlips und ein dunkelblaues Wolljackett. Das weiße Hemd leuchtete im Schein des Projektors.
»Sieht er nicht aus wir Rhett Butler?« flüsterte Vega und stieß Maria in die Seite.
»Ja, vielleicht.« Maria suchte in ihrem schwarzweißen Archivgedächtnis unter den Filmen ihrer Kindheit: Vom Winde verweht, Clark Gable und Vivien Leigh. Vielleicht ähnelte er einem Rhett, der auf die Streckbank gespannt worden war. Der Schnurrbart saß an der richtigen Stelle. Das Lächeln, ein übermäßig renoviertes Gebiß mit viereckigen Zähnen, war ebenso auffällig wie bei dem Vorbild. Ja, da konnte etwas dran sein.
»Wenn Valdemar sich nicht aus dem üblichen Grund unter Frauenröcken verkroch, dann um Schutz vor Verfolgern zu suchen, wenn sie ihm auf den Fersen waren«, stellte Folhammar fest.
»Da hören Sie es.«
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