Tod im Jungfernturm
Schatzes in Dänemark gefunden, so zum Beispiel die Karfunkelsteine, die groß wie Mühlräder gewesen sein sollen? Hat die Plünderung überhaupt stattgefunden?«
»Ich habe im Laden gehört, daß Sie sich mit dem Gedanken tragen zu heiraten.« Vega reichte Arne Folhammar, der so aussah, als würde er sich am liebsten davonmachen, höflich die Hand. Sein Blick zuckte hin und her, und die großen Füße standen nicht still.
»Ja, das stimmt. Wir dachten, die Mittelalterwoche wäre ein schöner Rahmen für ein derartiges Ereignis.«
»Geht es in die Kirche?« Vega hielt seine Hand fest, bis er geantwortet hatte.
»Birgitta wünscht sich das wohl.«
»Nach altem Recht darf die Brautkrone ja nur von einer Jungfrau getragen werden.«
Hartman bedachte seine Tante mit einem Seitenblick und seufzte schwer.
»Dann wird sie wohl verrosten müssen«, beendete Arne Folhammar das Gespräch und ging zur Tür.
8
Arne Folhammar dachte an Birgitta und schüttelte ein Gefühl der Unzufriedenheit ab. Er sah über den Raum mit den Bildsteinen, über die sich die Runeninschriften wie leise zischelnde Schlangen aus einer anderen Zeit schlängelten. Magie.
Hier war es kühler. Er knöpfte das Jackett auf und machte den Schlips ganz ab, steckte ihn in die Tasche und wischte sich mit der Hand über seine schweißnasse Stirn. Wie wenn man einen Schmetterling in einem Glas fing, dachte er, in einem Insektenglas mit Deckel. So hatte er Birgitta gefangen und studiert, wie ein artfremdes Menschenwesen, das so ganz anders war als er selbst. Sie hatte gelacht, wenn er das sagte. Birgitta lachte oft. Nahm das Leben mit einem Achselzucken. Sie war so schön, wenn sie lachte. Es tat ihm weh. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie seiner überdrüssig werden und erkennen würde, wie langweilig er in Wirklichkeit war. Wie lange würde es dauern, bis sie merkte, daß sie die einzige war, die redete? Sie war soviel jünger als er. So lebensfroh. Arne seinerseits dachte an manchen Tagen ernsthaft darüber nach, ob das Leben es überhaupt wert war, es zu durchleiden. Ob die Verliebtheit, die er erlebte, die Bindung und die Eifersucht wert war, die sie mit sich brachte. Wenn Birgitta körperlich anwesend war, lautete die Antwort immer ja. Aber in einsamen Stunden regten sich Zweifel.
Als er sie kennenlernte, hielt er sie für einen aufgeblasenen Teenager. Hübsch, aber definitiv eine Schlampe. Sie hatte bei ihm geklingelt und erzählt, daß sie neu ins Haus eingezogen sei und daß die gemeinsame Kühltruhe im Keller auslaufen würde. Eine Pfütze auf dem Fußboden bestätigte das. Das Essen von vier Haushalten war aufgetaut, die Krabben hatten angefangen zu stinken, der Saft von in Plastiktüten verpackten Himbeeren rann von der obersten Etage aus über Backwerk und stückweise eingefrorene Flundern. Sein eigener eingekochter Aal war eine enge Verbindung mit einer Packung Blattspinat eingegangen. Die Fehlerquelle wurde schnell gefunden: Der Stecker war herausgezogen. Erstaunt bemerkte er, wie ihre dunkelblauen Augen sich mit Tränen füllten. Er fand ihr Weinen ästhetisch ansprechend, keine rote Nase, keine glucksenden Geräusche, kein schmieriges Makeup, das über die Wangen rann. Nur die großen Augen, die anfingen zu glänzen und dann von kristallklarem Wasser überliefen, blaue Seen mit Ableitungen. Sie bekannte sich schuldig. Hatte das Verlängerungskabel ausgeliehen, um einen Luftbefeuchter auszuprobieren, den sie auf dem Flohmarkt gekauft hatte, und dann vergessen, die Kühltruhe wieder anzuschließen.
»Ich kann bezahlen. Allerdings nicht diesen Monat. Vielleicht kann ich dich zum Abendessen einladen.« Er hatte ihre Einladung hauptsächlich deshalb angenommen, damit sie aufhörte zu weinen. Es war, als wäre er der Schuldige und sie das Opfer. Und dabei hatte er nicht die geringste Gelegenheit bekommen, böse zu werden.
Das Essen fand am selben Abend statt. Innerhalb weniger Minuten hatte er festgestellt, daß sie definitiv nicht kochen konnte, ebensowenig, wie er Konversation betreiben konnte. Die Nudelsoße enthielt von allem etwas, verborgen in einer weißen ungesalzenen Suppe. Die Spaghetti knackten zwischen den Zähnen, und der Salat war noch erdig. Er wußte nichts zu sagen. So war es oft. Damals war er noch mit Beatrice zusammen gewesen. Oder war es Kristina? Nein, Malin, die Schauspielerin. Nachdem die Polizei damals die Wohnung aufgebrochen hatte, war sie auf einen Einsiedlerhof in Fole gezogen. Auch mit ihr hatte er nicht
Weitere Kostenlose Bücher