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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Fischereianleger von Kovik vorbei. Arvidsson ließ die Scheibe herunter und spürte den durchdringenden Geruch von verrottendem Tang. Die Roggenfelder wurden rot vom Mohn. Die Weizenfelder leuchteten in der Abendsonne goldgelb. In den wilden Beeten am Straßenrand blühten Zichorie, Hundsblume und Gemeiner Natterkopf. Am Kiosk in Tofta hielten sie an und kauften sich ein Eis. Der Abend war warm, und das Meer lag still und glatt da. Arvidsson lehnte sich an die Hauswand und schloß die Augen.
    »Was meinst du?«
    »Sie scheint nicht sonderlich beunruhigt.« Ek nahm seinen Block heraus und machte sich ein paar Notizen.
    »Vielleicht steht sie unter Schock. Die Gefühle können später kommen.«
    »Sie hat gesagt: ›Er trank gerne einen.‹ Warum hat sie nicht gesagt: ›Er trinkt gerne einen‹?«
    »Ist mir auch aufgefallen.«
    »Das, was du gesagt hast, daß es wichtig ist, die verwirrten Menschen mit einzubeziehen, was hast du damit gemeint?« fragte Ek. Arvidsson seufzte tief und sank auf seinem Stuhl zusammen. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete.
    »Meine Mutter bekam mit achtundfünfzig Jahren Alzheimer. Wir haben versucht, sie so lange wie möglich zu Hause zu behalten. Jetzt im Herbst ging es nicht länger, und nun ist sie in einem Pflegeheim. Am Ende war es ziemlich hart. Ich war nachts bei ihr, mein Vater hatte sie, wenn ich bei der Arbeit war. Wenn wir wieder aufs Festland kommen, brauche ich eine eigene Wohnung.«
    »O verdammt, das wußte ich nicht. Hast du bisher noch zu Hause gewohnt?« fragte Ek ungläubig.
    »Ja. Das hat sich so ergeben«, erwiderte Arvidsson und schaute ihn an.

12
    Es gibt Tage, die werden von eintönigen Alltagsverrichtungen verschluckt, so daß man die Stunden in der Erinnerung nicht mehr auseinanderhalten kann. Und dann gibt es andere Tage, die für den Rest des Lebens in jeder Einzelheit messerscharf im Gedächtnis bleiben. Für Matti Paasikivi würde es ein Tag der letzteren Art werden.
    Matti strich mit der Hand über die Reling des Segelbootes, das er von Anjas Bruder ausgeliehen hatte. Der hatte keine Leihgebühr verlangt und nicht mal etwas für den Treibstoff nehmen wollen. Das war großzügig! Matti hatte sich wirklich auf den Kuschelurlaub gefreut – zwei Wochen mit Anja. Sonnige Tage am Strand, heiße Nächte unter Deck, Bier im Gartenlokal, Kultur und Hitze. So hatte er es sich erträumt. Obwohl er eigentlich nicht soviel für Körperkontakt unter Männern übrig hatte, hatte er seinen zukünftigen Schwager umarmt.
    »Aber irgend etwas werde ich dir doch dafür zurückgeben können, oder? Sag einfach, wenn ich mal was für dich tun kann«, hatte er zu seinem Schwager gesagt. Worte, wie Wasser verschüttet und unmöglich zurückzunehmen.
    »Ja, also, da gäbe es schon einen kleinen Gefallen, um den ich dich gern bitten würde, falls es dir nicht zuviel ausmacht.«
    »Bestimmt nicht. Sag es einfach«, hatte Matti in seiner unglaublichen Gedankenlosigkeit geantwortet.
    »Ich möchte aber nicht, daß ihr euch genötigt fühlt.«
    »Komm, raus damit.«
    »Kannst du meine Jungs mitnehmen? Sie müssen einfach mal raus an die frische Luft. Ich muß den Rest des Sommers noch arbeiten, und die Schule fängt erst Ende August wieder an.«
    »Und Leena …?«
    »Die Mutter der beiden muß auch arbeiten.«

    Matti hatte bisher jede Minute der Reise bereut, aber Anja war immer noch fröhlich, obwohl die Jungs, sowie sie aufs offene Meer herausgekommen waren, wie verrückt angefangen hatten zu kotzen und sich den Rest der Zeit gelangweilt hatten. Jetzt saß sie auf dem Vordeck und sonnte sich, das dicke braune Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, damit es keinen Schatten auf die Schultern warf. Die Sonnenbräune stand ihr gut. Er stellte fest, daß man durch den Stoff des weißen Bikinis ihre Brustwarzen sehen konnte. Der kühle Wind richtete sie auf. Er konnte den Blick nicht von ihnen abwenden. Sie blätterte eine Seite in ihrer Zeitschrift um, sah auf und entdeckte die Jungen.
    »Nein, Lauri! Wenn du mal mußt, dann geh bitte runter auf die Toilette. Es ist nicht schön, über die Reling zu pinkeln, wenn man im Hafen liegt.«
    Lauri hüpfte auf beiden Füßen und wedelte provokant mit dem Pimmel.
    »Paß bloß auf«, sagte sie mit aufgesetztem Ernst, »da kann nämlich eine Möwe kommen und ihn dir abzwicken.«
    Dann legte sie sich wieder zurück, setzte die Sonnenbrille auf und legte die Beine ein wenig auseinander. Sie waren braun und glänzten vom Sonnenöl. Matti blickte

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