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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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probiert?«
    »Iris hat das auch vorgeschlagen. Aber ich will mal irgend etwas selbst bestimmen. Will es auf meine Weise tun!«
    »Das Wichtigste ist, daß man motiviert ist. Anders geht es nicht. Können Sie den Fahrer des Opels beschreiben?«
    »Nicht richtig. Ich habe ihn nur einen Moment lang gesehen.«
    »War es ein Mann?«
    »Ja, aber es war nicht Wilhelm. Dieser hier war größer und irgendwie gröber.«
    »Wie alt mag er gewesen sein, jung, alt, mittleren Alters?«
    »Keine Ahnung. Das Haar war nicht zu sehen. Er hatte eine Kappe in die Stirn gezogen und eine Sonnenbrille auf.«
    »Haben Sie gesehen, was er anhatte?«
    »Keinen Schimmer.«
    »Helle oder dunkle Kleidung?«
    »Dunkle, oder nein, ich weiß es nicht. Wir wollten zur Feldübung der Landwehr aufs Festland. Ich wollte mit Wilhelm im Auto fahren. Meines war in der Werkstatt, die Bremsen. Also, ich bin nicht mit schlechten Bremsen gefahren, sondern …«
    »Schon in Ordnung.«
    »Wilhelm ist einfach so, wie er ist, verdammt eigensinnig und empfindlich. Wir haben angenommen, daß er sich eine Kabine gemietet hat, um allein zu sein. Manchmal macht er so was. Wenn einer irgendwas Blödes zu ihm gesagt hat, dann ist er unter Umständen monatelang beleidigt. Nun ist da ja diese Sache mit der Pacht von dem Land, auf dem sein Strandhäuschen steht. Ich habe anscheinend irgendwas darüber gesagt, daß man ja schon schlimmere Geschichten erlebt habe. So was wird nicht verziehen. Typisch für ihn, erst versprechen, daß er einen mitnimmt, und dann vorbeifahren, dachte ich. Als ich aufs Schiff kam, habe ich gefragt, ob er sich eine Kabine gemietet hat, aber das konnten die mir nicht sagen. Da war mir das Ganze einfach egal. Ich bin mit Eriksson gefahren. Es wurde verdammt eng mit vier Typen auf dem Rücksitz … drei. Wir waren angeschnallt. Es gab einen Sicherheitsgurt in der Mitte …«
    »Schon okay. Haben Sie ihn während der Fahrt überhaupt gesehen?«
    »Nein, aber den Typen, der den Opel gefahren hat, den habe ich auf Deck gesehen. Als ich ihn gerufen habe, hat er etwas ins Wasser geworfen. Dann habe ich ihn die Gangway runterlaufen sehen. Der Opel stand immer noch auf dem Autodeck, als wir runterfuhren. Eriksson fand, wir sollten auf Wilhelm warten, aber ich war der Meinung, daß er selbst hinfahren könne.«
    Anders Öhrn sah Maria in die Augen und wartete auf irgendeine Absolution für seine zweifelhafte Handlung. Er hielt die Arme fest an die Seite gepreßt, um die Schweißflecken zu verbergen, die sich langsam auf dem Stoff ausbreiteten. »Verdammt heiß«, bemerkte er.
    »Erzählen Sie mir, was Sie von Wilhelm wissen. Gibt es jemanden, der davon profitieren würde, wenn er verschwindet?«
    »Wie denn? Ob er irgendwelche Feinde hat? Also, ich sage Ihnen, dieser Mann hat keine Freunde. Aber arbeiten kann er wie der Teufel, das muß man sagen.«
    »Er ist verheiratet.«
    »Er hat die Dorfhure geheiratet. Ihm war das nicht so wichtig, Hauptsache, die Frau konnte arbeiten. Und das kann sie. Ja, meine Fresse, als die jung war … nein. Nein, nichts weiter.«
    Anders sah etwas unangenehm berührt auf das Tonbandgerät, das er während des Gesprächs ganz vergessen hatte. »Ein andermal.«

    Als er gegangen war, öffnete Maria das Fenster. Ein säuerlicher Gestank von Nikotinsucht hing nachhaltig in der stillstehenden Luft. Die Dorfhure – daß es solche Begriffe heute noch gab. Maria setzte sich, und ihr Blick fiel auf das gerahmte Bild über dem Bücherregal. »Valdemar Atterdag plündert Visby« von C. G. Hellqvist. »Finde fünf Fehler«, pflegte Hartman über das Bild zu sagen. Er hatte es selbst als Geschenk für Maria aufgehängt, als sie das Zimmer in Besitz nahmen, damit sie sich immer daran erinnerten, daß man die Schilderungen von Augenzeugen stets mit kritischem Blick verfolgen sollte. Man wird dabei leicht in Stimmungen hineingezogen und verpaßt dann Informationen, die nicht mit dem Ganzen übereinstimmen.
    Das Bild des Künstlers von der mittelalterlichen Wirklichkeit, wie detailreich und lebendig es auch erscheinen mochte, wurde von seinem eigenen Leben und seiner eigenen Zeit geprägt. So gab es im mittelalterlichen Schweden keine Dackel, und doch schleicht hinter der Tonne, die mit Gold gefüllt werden soll, einer herum, nämlich Medock, der Hund des Künstlers. Man wird von dem Bild eingefangen, von den Farben verführt, dachte Maria. Die schweren Schritte und das Waffengerassel der Soldaten, der Geruch von frischgebackenem Brot,

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