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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Wilhelms Babydecke sind in den blauen Streifen drin. Die schwarzen sind das Brautkleid unserer Urgroßmutter. Sie heiratete in einem schwarzen Seidenkleid und hatte einen Strauß mit blutroten Päonien. Ich dachte nur, wenn … Wilhelm hat ja kein besonderes Interesse an dem Teppich, deshalb wollte ich ihn vielleicht mit nach Stockholm nehmen. Hast ihn mit nach Hause genommen, um ihn zu waschen?« Sofia machte die Tür weit auf und trat ein.

14
    »Ein kleiner Finger?« Maria starrte Ek ungläubig an, der soeben auf seinen Inlinern, mit einer auf der Stirn blitzenden Ray-Ban-Sonnenbrille in den Aufenthaltsraum gerollt war. Unter den Achselhöhlen seines T-Shirts breiteten sich dunkle Flecken aus. Sie hoffte, daß er Kleider zum Wechseln dabei hatte, aber sicher war das nicht. Dummerweise verspürte sie eine gewisse Verantwortung für sein Auftreten, wenn sie woanders waren. Schon am ersten Tag in Visby hatte Ek aus Versehen sein Handfunkgerät auf allgemeine Durchsage gestellt, als er auf die Toilette gegangen war. Maria war durch den Flur gerannt, um dem Plätschergeräusch ein Ende zu machen, das über das Netz des gesamten Polizeireviers ging. Aber er hörte sie nicht, obwohl sie mit beiden Fäusten an die Tür trommelte. Er sang lauthals und klapperte dazu mit dem Toilettendeckel. Die einzige Erklärung, die er hinterher zu bieten hatte, war, daß er versucht habe, »Hej Pippi Langstrumpf« im Sieben-Viertel-Takt zu singen.
    »Das ist verdammt schwer, das sage ich dir. Versuch es mal selbst«, sagte er. Nach diesem Ausrutscher war er zweifellos ein Kandidat für die Jahreschronik.
    Die Geschichte von dem Finger hingegen klang wie eine von Eks üblichen Räuberpistolen und hätte mit einem verschmitzten Lächeln beendet werden sollen. Doch das Lächeln blieb aus.
    »Jeder mißt eben mit seinem eigenen Maßstab, und bei einem kleinen Jungen ist der Pimmel nun mal nicht größer als ein kleiner Finger«, erklärte er schulmeisterlich.
    Maria zog eine Augenbraue hoch.
    »Wie geht es den Jungen, die den Finger gefunden haben?«
    Sie ließ Ek nicht aus dem Auge, denn sie war immer noch nicht ganz vom Wahrheitsgehalt der Geschichte überzeugt, die er ihr soeben serviert hatte.
    »Ich meine, daß sie trotz allem erleichtert darüber waren, daß es ein Finger war. Es waren, glaube ich, die Kinder aus dem McDonald’s neulich. Ihre Tante, Anja, war fuchsteufelswild. Vielleicht eine Art Schockreaktion. Sie fand, wir sollten das Hafenbecken leeren und mitten in der Nacht nach einer Leiche suchen. Wenn es nun Mord ist.«
    »Zumindest grobe Mißhandlung.«
    »Es ist wohl eher unwahrscheinlich, daß das selbst verursacht sein könnte.« Hartman streckte sich nach der Kaffeekanne. »Aber als Junge habe ich mal die Geschichte von einem Bauern auf Sudret gehört, der sich aus Versehen den kleinen Finger abgehauen hatte. Der hatte keine Lust, einen Arbeitstag zu verschwenden, indem er ins Krankenhaus in die Stadt fuhr, und deshalb hat er den Finger dem Hund vorgeworfen.« Maria zog eine Grimasse.
    »Vielleicht war es ein Dieb«, fügte Trygvesson hinzu. »Im Mittelalter haben wir hier in Visby den Dieben die Ohren abgeschnitten. Bei wiederholten Vergehen machte man ihm Löcher ins Ohr und verwies ihn der Stadt. Zu der Zeit war es völlig zwecklos, mit einem Piercing im Ohr Arbeit zu suchen. Wenn man auf der Schiene weitermachte, wurden beide Ohren abgeschnitten, und danach winkte die Todesstrafe. Für verbrecherische Handlungen in der Kirche oder auf dem Abtritt wurde die Strafe verdoppelt. Aber ein Finger … nein. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
    »Ek und ich haben heute abend einen Krimi auf Video gesehen.« Arvidsson sah etwas verschämt in die Runde. »Da ging es um einen Vergewaltiger, der sich jedes Mal, wenn er sich an jemand vergangen hatte, einen Finger abhackte. Vielleicht eine Selbstbestrafung, um der Strafe Gottes zu entgehen. ›Wenn deine rechte Hand dein Verderben ist, dann hacke sie ab und wirf sie von dir, denn es ist besser für dich, wenn eines deiner Glieder verdirbt, als wenn dein ganzer Körper in die Hölle geworfen wird.‹ Er wählte die Finger, obwohl andere Körperteile da vielleicht passender gewesen wären. Aber es wurde ihm zum Verhängnis. Eines der Mädchen konnte entkommen und erzählte von dem Fingerlosen. Er arbeitete in einer Metzgerei. Den Schluß konnten wir dann nicht sehen, weil vorher die Anzeige von Matti Paasikivi kam. Schlechtes Timing.«
    Arvidsson schickte den

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