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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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verrottetem Müll und Abtritt.
    Dann im Zentrum des Bildes die kleine Familie, die Frau mit einem Kind auf dem Arm und das Mädchen, das sich an ihren Rock klammert. Das offene Haar der Mutter glänzt. Das erhöht die Stimmung des Bildes, doch entspricht es der Wahrheit? Nicht, wenn sie eine Ehefrau und Mutter war. Dann hätte sie ihr Haar sittsam unter einer Haube verborgen. Ihr Blick ist flehentlich zum Himmel gewandt. Der Ehemann schaut Valdemar haßerfüllt an. Dieser entgegnet den Blick, sieht blaß und mit schwarzen Augen von seinem Roten Thron herab auf die drei Brauereibottiche, die man widerwillig mit Gold und Silber füllt.
    Auch vom Kloster fordert er seinen Tribut. Der runde Mönch murmelt hier sicher andere Reime als das Paternoster. Der gierige Valdemar begnügt sich nicht mit den drei Tonnen Edelmetall, und warum sollte er auch? Einen Monat später plündert und brandschatzt er im Süden Gotlands, nachdem er alle Männer außerhalb der Mauer niedergemetzelt hat. So einfach wie das Eiersammeln in einem Hühnerhaus.
    Wenn die Augenzeugenschilderung von Anders Öhrn korrekt war, was sich erst noch zeigen mußte, dann konnte das bedeuten, daß Wilhelm Jacobsson gar nicht mit der Fähre aufs Festland gefahren war. Niemand hatte ihn an Bord fahren sehen. Jeder hätte das im voraus gebuchte Ticket nehmen, einchecken, das Auto auf die Fähre fahren und dann das Schiff über die Gangway für Passagiere verlassen können. Das Ticket mußte nicht mehr vorgezeigt werden. Die Fingerabdrücke, die man in der Kabine gefunden hatte, sollte man mit denen des abgehauenen kleinen Fingers vergleichen. Es würde mich ja nicht wundern, wenn die zusammenpassen, dachte Maria, und ihr fuhr ein Schauer über den Rücken. Wie kalt ist ein Mörder, der einem Toten den Finger abhackt? Geplant und eiskalt berechnet. Wer kommt auf die Idee, einen Abdruck mit einem Finger an einem Ort zu machen, wo sich die Leiche nie befand? Ist das eine momentane Eingebung oder das Ergebnis vorausschauender Ränkeschmiede? Maria wählte die Nummer der technischen Abteilung, und Björk war am Apparat.
    »Auf dem Spiegel in der Kabine gab es einen deutlichen Abdruck. Inzwischen haben wir eine Antwort aus Stockholm erhalten. Unser Verdacht hat sich bestätigt, er stimmt mit dem kleinen Finger überein. Ob es der Finger von Wilhelm Jacobsson ist, müssen wir noch herausfinden. Wir haben auch einen Abdruck von der Windschutzscheibe des Opels, der jedoch etwas undeutlich ist. Aber mit großer Wahrscheinlichkeit stammt auch der vom selben Finger. Die Proben sind zur DNA-Analyse weggeschickt worden.«
    »Ausgezeichnet.«
    »Haben Sie gehört, daß sich der Auszubildende heute in der Nachmittagspause auf den Stuhl von Trygvesson gesetzt hat?« fragte Björk.
    »Nein. Macht das was?«
    »Ja, verdammt, war der sauer. Auf den Stuhl setzt man sich nicht ungestraft. Wenn Blicke töten könnten.«
    »Das kling ja nicht gerade erwachsen.«
    »Trygvesson ist eine Mischung aus messerscharfem Intellekt, unfehlbarem Gedächtnis und den Eigenarten eines Dreijährigen. Das werden Sie mit der Zeit schon merken.«
    »Welchen Stuhl gilt es zu meiden?«

    Kommissar Tommy Trygvesson spazierte den Smittens Backe zum Stora Torget hinunter und hoffte, daß er niemandem begegnen würde, den er kannte. Er brauchte Zeit zum Nachdenken, deshalb ging er nicht gleich nach Hause zu Lillemor. Es war nicht sicher, ob sie schon zu Hause war, aber er wollte nicht riskieren, ihrem kritischen Blick begegnen zu müssen. Nicht jetzt. Die Ermittlungen um den verschwundenen Mann von der Gotlandfähre waren in seinen Verantwortungsbereich gefallen. Sie würden mehr Zeit und Gedanken in Anspruch nehmen, als er erübrigen konnte. Vielleicht sollte er die Ermittlungen abgeben, sich krankschreiben und jemand anders den Fall übernehmen lassen. Der Gedanke war ebenso verlockend wie erschreckend. Würde er die Ermittlungen bis zum Ende durchführen können, wenn Lillemor ihn verließ?

    Trygvesson war nach einer unglücklichen Geschichte in seiner Jugend mit Frauen vorsichtig gewesen und hatte erst spät geheiratet. Als sie sich kennenlernten, arbeitete Lillemor in der Bibliothek in Huddinge. Es dauerte viele Jahre, ehe sich etwas zwischen ihnen entwickelte, obwohl sie oft bei einer Tasse Kaffee über Literatur diskutierten oder zusammen Vorträge besuchten. Von Leidenschaft war nie die Rede. Er fühlte sich in ihrer Gegenwart einfach wohl, sie wurden Lebenskameraden. Dann wurde Erika geboren. Sein

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