Tod im Moseltal
von Steyn, und ich denke, es wäre gut, ein Vorgespräch mit seinem Anwalt, einem Herrn Klaus Menzel, zu führen. Oder glaubst du, dass Steyn jetzt noch irgendetwas ohne Anwalts Segen sagen wird?«
»Nein, eher nicht. Ich schau mal nach, wie weit die beiden sind.« Gerhardts wandte sich zum Gehen. »Und ich sage ihnen, dass es bei uns etwas später wird. Also iss. Ich werde nicht den Abend mit Sabine aufs Spiel setzen, indem ich das Essen wieder mit nach Hause bringe.«
Gerhardts hatte mit Anwalt Menzel einen Informationsaustausch vor dem Verhör vereinbart. Menzel hörte den Ausführungen der beiden Kommissare aufmerksam zu, machte sich wenige Notizen, stellte einige Verständnisfragen und ließ in keiner Weise erkennen, welche Strategie er verfolgen würde.
Buhle gefiel die ruhige, abgeklärte Art des Juristen, und er wusste eigentlich schon mit dem kräftigen Händedruck und dem klaren, forschenden Blick zur Begrüßung, dass sie es hier mit einem ausnehmend guten Anwalt zu tun haben würden. Nachdem sie ihn ausführlich über die Sachlage informiert hatten, war es eine Minute lang still in dem kleinen Vernehmungsraum der ZKI. Menzel sah seine handgeschriebenen Zettel durch, die offensichtlich einige Aufzeichnungen von dem Gespräch mit seinem Mandanten enthielten. Dann schob er die Blätter zu einem flachen Stapel zusammen und steckte ihn in seine Aktentasche.
»Wie er mir berichtete, hat Thomas Steyn Ihnen gestern bei dem ersten Verhör am Tatort bereits seine Version der Geschehnisse mitgeteilt. Halten Sie ihn für einen Lügner?«
Menzel sah bei seiner Frage zuerst Buhle, dann Gerhardts kurz an, und beide erkannten, dass er ihre leichten Zweifel bei diesem fast flüchtigen Blickkontakt bemerkt hatte. Er lächelte leicht und für die Situation eigentlich überraschend ohne eine Spur von Selbstzufriedenheit oder gar Überheblichkeit.
»Wir wissen alle, wie unglaublich seine Geschichte klingt und dass sie bei der gegenwärtigen Beweislage fast zwangsläufig erfunden erscheint. Haben Sie möglicherweise Indizien für die Richtigkeit der Schilderungen meines Mandanten ermitteln können?«
Diese Frage ging klar über das Maß einer Informationspflicht der Kriminalpolizei hinaus. Buhle ahnte aber, dass er mit einer Antwort wesentlich beeinflussen konnte, ob sie weitere Informationen vom Verdächtigen erhalten würden oder nicht. Würden sie signalisieren, dass die Beweislage eindeutig sei und das Ermittlungsergebnis schon feststehe, wäre mit weiteren Aussagen von Thomas Steyn nicht zu rechnen.
»Die Darstellung der Ereignisse, wie sie uns Herr Steyn gegeben hat, lässt sich anhand der Spuren, die wir am Tatort gefunden haben, gegenwärtig nicht nachvollziehen. Dafür liegen zahlreiche Verdachtsmomente vor, die Ihren Mandanten als Tatverdächtigen erscheinen lassen. Wobei die Untersuchungen natürlich noch nicht abgeschlossen sind und sich weitere Erkenntnisse ergeben können.«
Buhle befeuchtete mit der Zungenspitze die ausgetrockneten Lippen und schaute kurz zu seinem Kollegen. Die unausgesprochene Bestätigung von Gerhardts ließ ihn fortfahren.
»Es gibt allerdings ein paar offene Fragen, gerade im Zusammenhang mit den Darstellungen von Herrn Steyn, die wir jetzt gerne an Ihren Mandaten richten würden.«
Wieder ersetzten Blicke die Worte, die in Gesprächen zwischen Polizei und Strafverteidigung besser nicht fallen sollten. Diesmal spielte das kurze Lächeln um den Mund des Kommissars.
Thomas Steyn sah erschöpft und ausgelaugt aus, als er den beiden Polizisten im Verhörraum gegenübersaß. Aber er wirkte insgesamt gefasster, auch wenn es zu seiner Sicherheit häufig eines Seitenblicks zu seinem Anwalt bedurfte. Nach den anfänglichen Regularien sollte Steyn noch einmal die Ereignisse der letzten achtundvierzig Stunden aus seiner Sicht schildern. Wieder beharrte Steyn auf seiner Version vom Besuch der alten Freundin, bestätigte den damit verbundenen Seitensprung, verneinte aber genauso konsequent, die Tote jemals vorher gesehen oder sie gar getötet zu haben.
Klaus Menzel hielt sich weitgehend zurück. Dass er sich keine weiteren Notizen machte, deutete darauf hin, dass er das Ganze an diesem Tag schon einmal gehört hatte. Nur eine Zwischenfrage warf er in der ersten Stunde des Verhörs ein: »Sie haben doch sicher schon die von Herrn Steyn erwähnte Marion ausfindig machen können. Konnten Sie sie bereits befragen?«
»Nun, eine Marion Spiegelrodt ist zumindest in Deutschland nicht gemeldet.«
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