Tod im Moseltal
untypisch seinen Emotionen erlegen war, als er der vorgeschobenen Einladung von Claudille Laurant und anschließend dem Wunsch von Marie Steyn, ihren Mann zu treffen, gefolgt war.
Was hatte ihn da nur getrieben? Er verstand sich selbst nicht. Mit den Ermittlungen in Luxemburg hatte er sich wirklich in die Bredouille gebracht, weil er sich damit auf das rutschige Parkett internationaler Souveränitäten begeben hatte. Sie mussten unbedingt herausfinden, wer der luxemburgischen Polizei den Tipp gegeben hatte.
Die Anschuldigung der Bankiersfrau aus Luxemburg war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Beim Thema sexuelle Belästigung durch Polizisten läuteten in den oberen Etagen immer die Alarmglocken, egal was dahintersteckte. Zumal er gerade diesen öffentlichkeitswirksamen Mordfall bearbeitete. Monz würde genau einschätzen können, was es bedeutete, wenn die Giesener in der LëtzTalk ihre Vorwürfe gegen den Leiter der Soko Domäne wiederholen, vielleicht noch ein wenig ausschmücken würde.
Er drehte sich um und ging um Gerhardts und den Schreibtisch herum auf seinen Platz. Dieser hatte die ganze Zeit schweigend auf ihn gewartet, bis er für ein Gespräch bereit war.
»Paul, das war doch kein Zufall, oder?«
Gerhardts schaute zu Buhle hoch. »Mit der Giesener? Ich glaube auch, dass die Szene fingiert war. Die wird sicher bald einen Rückzieher machen. Ich denke, unser Problem ist, dass bei dir alles zusammengekommen ist.«
Buhle fühlte sich nicht nur in seinen Befürchtungen bestätigt, er machte sich auch Vorwürfe, weil er durch sein leichtsinniges Verhalten und die wahrscheinlichen Konsequenzen die Arbeit seines Teams geschwächt hatte.
»Aber vielleicht ist alles auch gar nicht schlecht, so wie es ist.«
»Bitte?« Buhle sah Gerhardts ungläubig an. Der hob die Augenbrauen und schaute betont unschuldig zurück.
»Unsere gesamte Führung will den Fall so bald wie möglich abschließen, weil sie fest von der Schuld unseres einzigen Verdächtigen überzeugt ist. Zweifel sollen wir bitte schön keine haben. Nur gerade so weit ermitteln, dass der Verteidigung keine Angriffsfläche geboten wird. Habe ich da Herbert heute Morgen richtig verstanden?«, fragte Gerhardts.
Buhle wiegte unschlüssig den Kopf, weil er immer noch nicht wusste, worauf sein Freund und Kollege hinauswollte.
»Also werde ich brav die Soko übernehmen und wie gewünscht weiterermitteln. Und du … du machst mal richtig Urlaub. Wie wäre es mit Wandern in der Luxemburger Schweiz oder einer Städtereise? Ich habe gehört, Hamburg soll sehr schön sein, außerdem könntest du dort eine alte Freundin besuchen. Danach kannst du abends dann ab und an deine Arbeitskollegen zum Bier treffen, die hier in Trier hart an der Lösung des Falls weiterarbeiten, und erzählen, was es so Neues gibt. Du kannst einfach du selbst sein, wenn man mal vom Bier absieht.« Mittlerweile spielte ein kleines, süffisantes Lächeln um Gerhardts’ Mund, als ob er zusehends Gefallen an seinen Gedankenspielen fände.
»Meinst du das ernst? … Du meinst das ernst. Wie stellst du dir das denn vor?« Buhle wusste nicht, worüber er mehr überrascht sein sollte: über die konspirativen Gedanken seines routinierten Kollegen oder über die tatsächliche Chance, die sich durch seinen Ausschluss von der Soko und den Zwangsurlaub ergeben könnte.
»Mach, was du willst, aber mach es geschickter als gestern. Und falls du noch ein Motivationsproblem hast: Ich an deiner Stelle würde mich nicht ohne Weiteres so vorführen lassen.« Gerhardts erhob sich von seinem Stuhl und grinste Buhle fast schon diebisch an. »Dann werd ich mal meine Soko übernehmen, vielleicht mach ich ja doch noch Karriere. Schönen Urlaub.« Damit drehte er sich um und ließ leise pfeifend einen verblüfften Christian Buhle zurück.
Eine Viertelstunde später rief Herbert Großmann an und teilte Buhle zerknirscht mit, dass der Präsident entschieden habe, ihn vorerst aus dem Verkehr zu ziehen.
»Christian, das ist natürlich keine Suspendierung, und es läuft auch keine Dienstaufsichtsbeschwerde. Aber du weißt ja, wie die Medien momentan auf alles reagieren, was mit dem Mord nur irgendwie in Zusammenhang steht. Und dann noch die Probleme mit den Luxemburgern … Der Fall ist ja ohnehin schon so gut wie durch, fast nur noch Routine. Das schaffen die Jungs jetzt auch ohne dich. Und«, Großmann räusperte sich, »ich meine, du weißt, was ich von dir halte, du bist einer meiner
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