Tod im Moseltal
besten Leute, dazu stehe ich auch …«
»Ist schon gut, Herbert. Vielleicht brauche ich tatsächlich eine Auszeit. Hab ja jahrelang kaum Urlaub gemacht, nur diese eine Trekkingtour. Paul wird den Fall sicher im Griff haben. Mal sehen, vielleicht gehe ich ein bisschen wandern oder besuche eine andere Stadt.«
»Genau, Christian, mach das. Eine gute Idee. Und wenn Gras über die Sache gewachsen ist und, äh, und du dich natürlich auch wieder erholt hast, liegt bestimmt schon der nächste Fall für dich auf dem Tisch.«
»Gut, Herbert, so machen wir das. Ich melde mich dann in zwei Wochen wieder.«
»Zwei Wochen?«
»Na ja, ich hab mal in einen psychologischem Bericht gelesen, dass sich unter zwei Wochen Urlaub keinerlei Erholungseffekt einstellt, und außerdem: Gras wächst im November ziemlich langsam.«
»Okay, zwei Wochen, bis dann.«
Buhle hatte in den vergangenen zwanzig Minuten immer mehr Gefallen an einer inoffiziellen Ermittlung gefunden. Natürlich wusste er, dass das Deckmäntelchen »Privatmann« recht dünn war. Er war Kriminalbeamter und somit eigentlich immer im Dienst.
Trotzdem konnte er so vielleicht ein paar eigene Recherchen unternehmen, die offiziell nicht gewünscht waren.
Er schaute eine Zeit lang aus seinem Bürofenster auf die gegenüberliegende Baustelle: Am Lehmhaufen fehlte eine Baggerschaufel des roten Substrats.
Da es ein sonniger Novembertag war, entschied er, nicht direkt nach Hause, sondern noch ein wenig spazieren zu gehen. Er schwenkte in die Bergstraße ein und bog gleich wieder ab in den Kreuzweg, der ihn hinauf zum bewaldeten Petrisberg führte. An der kleinen Kreuzchenkapelle machte er kurz Rast und stieg weiter hoch in Richtung Fernsehturm, wo die Gärten der Partnerstädte von Trier lagen, ein Relikt der Landesgartenschau vor einigen Jahren. Hier oben war seinerzeit das Gelände einer ehemaligen französischen Kaserne für ein Jahr in eine ausgesprochen gelungene Grünanlage verwandelt worden, die weit über eine Million Menschen angezogen hatte.
Buhle war damals gerade von Kaiserslautern nach Wittlich gewechselt und hatte von dieser Attraktion überhaupt nichts mitbekommen. Auch später in Trier hatte er es nicht geschafft, sich das Gelände anzusehen. Mittlerweile waren viele Grünflächen einer modernen Wohnbebauung gewichen. Der Petrisberg entwickelte sich zu einem neuen exklusiven Stadtteil mit ambitioniertem Wissenschaftspark.
Über die Gärten hatte sich wie überall eine Decke aus Laub für die nahende Winterruhe gelegt. Dennoch war Buhle angetan von der Vielfalt der kleinen Gartenareale und dem Aufwand, der seinerzeit von den Trierer Partnerstädten betrieben worden war. Eine Statue der Stadt Fort Worth in Form des Kopfes eines texanischen Longhorn-Rindes gehörte genauso dazu wie ein Weg mit Glasabdeckung über Felder von Glasscherben, rotem Splitt oder Wasser im Luxemburger Garten. Zum Schluss kam er in einen typischen Zen-Garten der japanischen Partnerstadt Nagaoka.
Er setzte sich auf eine Bank und betrachtete die gleichmäßigen Muster, die in den weißen Kies der durch Felselemente und kleine Rhododendronbeete gegliederten Fläche gezeichnet waren. Er erinnerte sich an die Schilderung eines damaligen Wittlicher Kollegen. Der hatte voller Unverständnis erzählt, dass zur Anlage dieses japanischen Gartens extra ein Stararchitekt aus dem fernöstlichen Inselstaat angereist war. Er sollte sicherstellen, dass die Felsen hier im Trierer Garten die gleiche Ausrichtung bekamen wie an ihrem Ursprungsort in Japan. Eine offenbar unabdingbare Notwendigkeit in der Zen-Philosophie.
Buhle überlegte gerade, warum fernöstliche Entspannungstechniken nicht fester Bestandteil der polizeilichen Ausbildung waren, als sein Handy klingelte.
»Grehler hier. Ich hab dich in deinem Büro nicht angetroffen, und die Kollegen haben sich außerordentlich merkwürdig über deinen Verbleib geäußert. Ist was?«
»Ja«, er dehnte das kurze Wort in die Länge, »ich habe frei.«
»Du hast was? Sag mal, spinnst du? Du kannst doch nicht mitten in einem Mordfall Urlaub nehmen!«
»Stimmt, habe ich auch nicht.« Buhle hörte, wie Lutz Grehler am anderen Ende der Leitung hörbar und anscheinend erleichtert ausatmete. »Ich nehme Überstundenausgleich.«
Vielleicht hätte er warten sollen, bis Grehler seine Luft vollständig aus den Lungenflügeln gedrückt hatte. So musste er einen heftigen Hustenanfall seines Gesprächspartners mit ausgestrecktem Arm über sich ergehen lassen. Als
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