Tod im Moseltal
Grehler sich wieder etwas beruhigt hatte, fuhr er fort: »Tja, Lutz, du hast halt zu gute Arbeit geleistet. Alle meinen, der Fall sei klar und könne jetzt routinemäßig unter der Leitung von Paul zu Ende gebracht werden. Und ich darf mal freimachen.«
»Das glaubst du doch selbst nicht, verarsch mich nicht. Was ist passiert?«
»Nichts gegen dich, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich grad überhaupt keine Lust, darüber zu reden. Frag am besten Großmann. Was wolltest du denn?«
»Ihr spinnt ja alle. Darf ich dir überhaupt noch was zum Fall sagen?«
»Dein Risiko.«
»Wir haben das Schriftgutachten vorliegen. Die Unterschrift von Marie Steyn unter diesem Liebesbrief könnte echt sein, sagen die Spezialisten. Weil der Brief aber mehrmals hin und her kopiert wurde, können wir nicht sicher feststellen, ob die Unterschrift real unter den Brief gesetzt oder später hineinkopiert wurde. Natürlich kann jemand auch den Namen einfach nur gut gefälscht haben. Sprich: Wir sind eigentlich nicht viel weiter.«
»Mhmh, danke für die Mitteilung. Hast du Paul schon informiert?«
»Nein.«
»Gut, dann mach das bitte noch. Wenn irgendwas wirklich Wichtiges auftaucht, ruf mich aber ruhig an. Wenn du magst.«
Buhle hatte das Gespräch kaum beendet, als das Handy erneut klingelte. Diesmal war es Marie Steyn, die wegen eines Artikels in der MoZ nachfragte. Offenbar war dort noch einmal über ihr Verhältnis zu Peter Kasper spekuliert worden, wobei sich der Autor auf einen der Redaktion vorliegenden Liebesbrief aus diesem Jahr bezog. Hier zog einer ganz konsequent sein intrigantes Spiel mit den Steyns durch. Buhle überlegte: Nein, nicht nur mit den Steyns.
»Frau Steyn, hatten Sie in der letzten Zeit den Verdacht, dass Sie jemand verfolgt?«
»Ja«, antwortete sie zögernd, »ja, am Dienstag auf dem Weg nach Metz.«
»Ich befürchte, da hat jemand weiterhin ein großes Interesse an Ihnen beziehungsweise an Ihrer Familie. Ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber … Könnten wir uns vielleicht gleich treffen?«
»Ich bin an der Uni und wollte eigentlich gleich nach Trierweiler fahren. Anscheinend ist bei Mattis in der Schule nichts mehr vorgefallen, aber ich möchte natürlich wissen, wie es ihm geht. Soll ich kurz bei Ihnen im Büro vorbeikommen?«
»Nein, das ist jetzt eher ungünstig, ich bin auch gar nicht da. Wie weit ist es denn vom Petrisberg, so in Nähe vom Fernsehturm, bis zu Ihnen an der Uni?« Er fügte noch rasch hinzu: »Allerdings zu Fuß.«
»Zu Fuß? Das ist ein ganzes Stück. Direkt neben dem Verwaltungsgebäude der EGP ist ein Restaurant, da könnten wir uns gleich treffen. Das ist von Ihnen keine zehn Minuten entfernt.«
»Ähm, ich glaube, ich kenne weder dieses Verwaltungsgebäude noch eine EGP. Ich war vorher noch nicht hier oben.«
»EGP ist die Abkürzung für ›Entwicklungsgesellschaft Petrisberg‹. Wo sind Sie denn jetzt genau?« Marie Steyn klang zunehmend genervt.
»In einem japanischen Garten.«
»Im Zen-Garten? Gut. Wenn Sie Richtung Kohlenstraße gehen, sehen Sie die bunten Häuser des Wissenschaftsparks. Denen folgen Sie, und am Ende ist das Restaurant. Okay?«
»Okay, ich werde dort auf Sie warten. Achten Sie darauf, ob Ihnen jemand folgt, und wenn Sie die Zeitung dabeihaben, bringen Sie die bitte mit.«
Das Restaurant lag wie beschrieben am Ende einer Reihe von ehemaligen Kasernengebäuden, in denen jetzt Firmen aus den Bereichen Gesundheit, Wissenschaft und Forschung, Medien und weiteren Dienstleistungsbranchen angesiedelt waren.
Buhle setzte sich in eine Ecke des gemütlichen und zugleich modernen Restaurants und behielt den Eingangsbereich im Auge. Während er langsam einen Milchkaffee trank, betrachtete er durch die großzügige Glasfassade den zu dieser Jahreszeit leeren Terrassenbereich. So bemerkte er Marie Steyn frühzeitig, wie sie sich mehrmals umschauend beeilte, das Lokal zu betreten.
Als sie seinen Tisch erreichte, legte sie ihre breite Umhängetasche auf den Nachbarstuhl, setzte sich zu ihm und bestellte einen Espresso. Dann erst sah sie Buhle richtig an und stutzte.
»Geht’s Ihnen nicht gut, Herr Buhle?«
»Wieso?«
»Nun, Sie sehen irgendwie … müde aus.«
Buhle überlegte, wie er anfangen wollte. Dann entschied er sich für die offene Variante.
»Bevor wir weiterreden, muss ich Ihnen mitteilen, dass ich nicht mehr Leiter der Sonderkommission bin, die den Mord in Ihrem Haus aufklären soll.«
Er hätte auch sagen können, er hätte gerade rosa
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