Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
Vom Netzwerk:
Polizeibeamten gewesen. Doch in den letzten zwei Tagen war viel passiert.
    Außerdem nagte seine Demission ganz erheblich an seiner Ehre. Dass er sich in der Art und Weise über den Tisch hatte ziehen lassen, weckte in ihm unbekannte Gelüste nach Revanche. Das alles sprach für eine Reise nach Hamburg, aber nicht für eine Beteiligung der Ehefrau des Hauptverdächtigen an dieser Fahrt. Er versuchte sich die Reaktionen seiner Vorgesetzten vorzustellen. Würde er damit den Bogen überspannen, ihre Rückendeckung ganz verlieren? Es wäre möglich, mit all den Konsequenzen, die das für seine Laufbahn bei der Polizei hätte. Doch merkwürdigerweise ließen ihn diese Befürchtungen kalt.
    Was ihn viel mehr beschäftigte, war die innere Verbindung, die er zu dieser beeindruckenden Frau spürte. Er hatte bislang niemanden kennengelernt, der in ihm so schnell Vertrauen erweckt hatte. Dass eine Frau nach all den Jahren überhaupt Emotionen in ihm hervorrief, irritierte ihn zutiefst. Doch gleichzeitig spürte er noch etwas anderes, etwas, was er nicht richtig greifen konnte: Es war so etwas wie Hoffnung.
    Er betrachtete die kleine, schmale Person mit den wilden schwarzen Locken und den tiefschwarzen Augen, deren Blick auf ihm ruhte und seine Entscheidung abzuwarten schien.
    »Ich nehme an, Sie wollen Marion Reens persönlich kennenlernen?« Die Frage war eigentlich überflüssig, aber er wollte wissen, ob Marie Steyn sich ihm gegenüber erklären würde.
    »Wenn mir etwas in den letzten Tagen bewusst geworden ist, dann, wie wenig ich meinen Mann kenne«, antwortete sie nach kurzem Zögern. »Und ich glaube wie Sie: Wenn wir ihm helfen wollen, müssen wir in seine Vergangenheit eintauchen. Vielleicht ganz tief. Wie ich jetzt, leider erst jetzt, erfahren habe, muss er als Kind außerordentlich schwierig gewesen sein, ein regelrechter Tyrann. Vielleicht weiß diese Marion tatsächlich etwas darüber zu berichten. Ich befürchte, es gibt noch viel mehr als seine Seitensprünge, was ich bislang nicht von Thomas wusste.«
    Buhle nickte. »Frau Steyn, in meiner gegenwärtigen dienstlichen Situation wäre es mehr als bedenklich, wenn wir zusammen nach Hamburg reisen würden«, er sah die Enttäuschung in ihren Augen, ohne dass ein Vorwurf damit verbunden schien, »aber wenn wir das weitgehend diskret machen könnten …«
    Das Lächeln von Marie Steyn wischte seine letzten Zweifel und Unsicherheiten weg. Es war das erste Mal seit einer Ewigkeit, dass er keine Kopfentscheidung traf.

17
    Hamburg; Dienstag, 9- November
    Da Buhle davon ausging, dass sie beobachtet wurde, hatten sie vereinbart, dass Marie das Haus von Peter Kasper frühmorgens durch die Hintertür und den Garten verlassen sollte. Von dort würde sie über einen Waldweg und einen abzweigenden Fußweg hangaufwärts zur Sickingenstraße gelangen. Hier würde Buhle mit dem Auto auf sie warten.
    Maries morgendliche Flucht hätte beinahe jegliche Heimlichkeit verloren, wenn Peter Kasper nicht im letzten Augenblick daran gedacht hätte, dem Dreihundert-Watt-Halogenstrahler mit Bewegungsmelder auf der rückwärtigen Terrasse den Strom abzustellen. So konnte sie unbemerkt durch die kühle Dunkelheit der endenden Nacht auf den Waldweg gelangen.
    Sie war zunächst erleichtert, als sie nach zehn Minuten Einsamkeit, nur begleitet von einem Konzert kleinster Geräusche, endlich den Hotelkomplex an der Sickingenstraße durch die fast kahlen Äste hindurchschimmern sah. Doch auf der abseitsgelegenen Straße empfing sie das vom matten Licht der Straßenleuchten verursachte Schattenspiel des Waldrandes. Sie vermochte kaum zu atmen, so gespenstig erschien ihr die vor ihr liegende Kulisse unter dem kohlenschwarzen Himmel.
    Buhles Auto stand fünfzig Meter unterhalb am gegenüberliegenden Straßenrand. Mit unsicheren Schritten ging sie auf den silberfarbenen VW Golf zu. Plötzlich war kein Geräusch mehr zu hören. Lediglich aus dem entfernten Moseltal drang das Rauschen des Pendlerverkehrs hinauf.
    Als sie endlich auf Höhe der Beifahrertür angelangt war, sah sie in den dunklen Innenraum des Autos: Er war leer. Um das zu begreifen, brauchte sie einige Sekunden. Sie schaute sich Hilfe suchend um, ob sie sich im Auto geirrt hatte. Aber die zum Moseltal abfallende enge Straße war leer. Sie blickte noch einmal in den Golf und sah undeutlich einen ausgedruckten Kartenausschnitt eines Stadtteils von Hamburg auf dem Beifahrersitz liegen. Das musste das Auto von Buhle sein. Wo war der verdammte

Weitere Kostenlose Bücher