Tod im Moseltal
und Wellingsbüttel. Buhle fragte sich kurz, was diese im Norden Hamburgs häufige Namensendung wohl zu bedeuten hatte, während er den Anweisungen seines Navigationsgerätes zur Adresse von Marion Reens folgte. Aber eigentlich war ihm das völlig egal. Vielmehr stieg in ihm eine innere Unruhe auf. Der Gedanke, Marie Steyn das Verhör zu überlassen und selbst nur unbeteiligt danebenzusitzen, wenn Marion Reens dies überhaupt zuließ, gefiel ihm plötzlich gar nicht mehr.
Aber gab es eine Alternative? Er konnte schlecht klingeln, Marion Reens mitteilen, dass er gerade ihren ehemaligen Schulfreund Thomas Steyn hinter Gitter gebracht, nun aber den Fall abgenommen bekommen habe und sie deshalb heimlich über Steyn befragen wolle. Nein, objektiv gesehen war die von Marie Steyn vorgeschlagene Vorgehensweise erfolgversprechender. Leicht fiel es ihm jedoch nicht, dieses wichtige Gespräch aus den Händen zu geben. Letztendlich sollte es egal sein, wie sie mit Reens ins Gespräch kamen, wichtig war nur, dass sie redete. Die Ausführungen von Marie Steyn zur Jugend ihres Mannes hatten ihn in seiner Ansicht bestätigt, das Motiv für die Tat in der Vergangenheit zu suchen.
Sie hatten laut Nävi ihr Ziel erreicht. Der Minsbekweg lag in einer durch Wohnblöcke und Reihenhäuser geprägten Wohngegend. Der hohe Anteil an bereits hochwüchsigen Laubbäumen auf den großzügig bemessenen Grünflächen bewirkte ein angenehmes Umfeld. Nicht so trist wie manche Vorstadtsiedlungen der Metropolen. Buhle lenkte seinen Wagen auf einen Stellplatz am Straßenrand, von dem sie freie Sicht auf den Eingang des Hauses hatten, in dem Marions Reens mit ihren Kindern wohnte.
»Haben Sie die Telefonnummer von Marion Reens?«
»Ja.« Er schaute skeptisch zu Marie Steyn hinüber und bewegte sich nicht.
»Dann geben Sie sie mir bitte.« Marie Steyn hatte sich offenbar eine Strategie zurechtgelegt.
Mit etwas Mühe griff Buhle eine Mappe aus seiner Tasche und fischte ein loses Blatt daraus hervor. »Könnten Sie mir bitte mitteilen, was Sie jetzt zu tun gedenken?«
Marie tippte die lange Festnetznummer in ihr Handy. »Telefonieren.«
»Was wollen Sie Frau Reens überhaupt sagen?«
Unwirsch hielt sie ihm als Antwort die linke Hand fast genau vors Gesicht. Dann nahm offenbar auch schon jemand am anderen Ende der Leitung das Gespräch entgegen.
»Hallo, hier ist Marie Steyn. Könnte ich bitte deine Mutter sprechen? … Danke schön.« Marie flüsterte ihm zu: »Sie ist da …. Ja, guten Tag, mein Name ist Marie Steyn …. Ach, hat Ihnen das Ihr Sohn schon weitergegeben? Prima, die meisten Jungs in dem Alter vergessen so etwas …. Frau Reens, Sie wissen, wer ich bin? … Gut, wären Sie bereit, sich mit mir zu unterhalten? … Ja, ich weiß, es kommt ein bisschen plötzlich … Genau, ich würde gerne mehr über die Jugendzeit meines Mannes erfahren, und da scheinen Sie mir die beste Ansprechpartnerin zu sein …. Wenn ich ehrlich bin, würde ich gerne persönlich mit Ihnen reden …. Nein, das ist für mich kein Problem. Eigentlich stehe ich bereits fast vor Ihrer Haustür …. Ich weiß nicht. Wir haben einfach gedacht, dass es schon klappen würde, und sind heute Morgen losgefahren …. Ja, ich bin mit einem Freund hier. Könnte er mitkommen? … Nein, kein Problem. Wir haben fast keine Geheimnisse …«
Marie lachte kurz auf. Buhle kam es vor wie eine Antwort auf das, was Marion Reens gerade gesagt hatte.
»… am liebsten gleich. Wir parken keine fünfzig Meter von Ihnen entfernt …. Keine Ahnung, das müssen wir abwarten, denke ich …. Prima, vielen Dank …. Doch, doch, das wird es. Ganz bestimmt. Wir kommen dann jetzt.«
Sie beendete die Verbindung und wandte sich Buhle mit einem äußerst zufriedenen Gesichtsausdruck zu. »Okay. Sie ist bereit, mit uns zu reden. Nun setzen Sie mal nicht Ihre Oberhauptkommissarsmiene auf. Sie klang weder vorsichtig noch ablehnend.« Marie kniff die Augen leicht zusammen, sodass sich strahlenförmig feine Falten bildeten. »Eigentlich klang sie sogar richtig nett.«
»Hatten Sie etwas anderes erwartet?«
»Ich weiß nicht. Aber wenn das stimmt, was Thomas behauptet, hat er ja …«
»Sie hat ein Alibi, Frau Steyn. Egal, was an der Geschichte Ihres Mannes dran ist. Sie kann nicht in Trier gewesen sein. Oder die Kollegen hier haben totalen Mist gebaut, und das glaub ich zunächst mal nicht.«
Marie Steyn nickte erst nur andeutungsweise, dann bestimmter. Ohne ein weiteres Wort stieg sie aus dem VW,
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