Tod im Moseltal
auch eine groteske Situation. Da erzählte er in Gegenwart der Ehefrau von der Behauptung Thomas Steyns, mit der ihr direkt gegenübersitzenden Schulfreundin im Bett gewesen zu sein. Grauenhaft. Und doch schien die Schilderung des angeblichen Seitensprungs zwischen den Frauen zu keinerlei Spannungen, Abneigungen oder gar Aggressionen geführt zu haben. War Marie doch der Meinung, die Geschichte ihres Mannes sei nicht wahr und es gebe deshalb keinen Grund zur Eifersucht? Oder hatte sie sich schon so weit von ihm entfernt, dass es ihr nichts mehr ausmachte? Er konnte sich davon kein exaktes Bild machen. Jetzt saßen die beiden an einem Tisch und tauschten sich über die Jugend seines Hauptverdächtigen aus, und er stand hier auf dem Platz des Sport-Clubs Poppenbüttel und schaute Kinderfußball zu.
Der lange Pfiff der Trillerpfeife riss ihn aus seinen Gedanken. Das Training war zu Ende. Die jungen Spieler räumten noch schnell die Bälle, Hütchen und Fahnenstangen weg, dann kam auch schon der kleine Christian angesprintet, als ob er eben nicht schon eine Stunde lang über den Fußballplatz gewetzt wäre.
»Und, wie war’s?«
»Toll, ihr seid ja eine richtig starke Truppe.«
»Joah, geht so. Neulich haben wir elf zu eins gegen Bramfeld verloren. Aber gegen Alsterdorf haben wir sieben null gewonnen. Ich hab drei Tore geschossen.« Als er das sagte, strahlte er stolz über das ganze rote, verschwitzte Gesicht.
»Super. Komm, lass uns jetzt zu dir nach Hause fahren. Deine Mutter wartet sicher schon.«
»Nö, glaub ich nicht. Darf ich vorne sitzen? Nils durfte das auch schon mal.«
»Junger Mann, wenn uns die Polizei erwischt, sind wir dran. Dein Platz ist hinten. Eins fünfzig musst du groß sein, um nach vorne zu dürfen. Hab ich dir schon auf der Hinfahrt gesagt.«
»Och manno.« Sichtlich enttäuscht und jetzt anscheinend doch etwas müde trottete Chris hinter Buhle zum Auto.
Als sie in der Wohnung in Poppenbüttel waren, herrschte nachdenkliches Schweigen zwischen Marie und Marion. Marie machte den Eindruck, als habe sie geweint. Buhle wusste, dass er dieses Schweigen jetzt nicht brechen durfte.
Erst als einige Minuten später Marions dreizehnjährige Tochter nach Hause kam, standen die beiden Frauen vom Küchentisch auf.
Marie hatte bereits in einem von Marion empfohlenen Hotel zwei Zimmer bestellt und wollte sich jetzt für eine Stunde auf ein Bett legen und allein sein. Dagegen hatte auch Buhle nichts einzuwenden. Das gemeinsame Essen war auf einundzwanzig Uhr festgelegt worden.
Dank des Navis fanden sie das Hotel sofort. Es lag in einer ruhigen Seitenstraße zur B434, einer der Haupteinfallstraßen Hamburgs. Es war kurz nach neunzehn Uhr, als sie eintrafen. An der Rezeption empfing sie ein sichtlich zerknirschter Portier. Es täte ihm unendlich leid, aber sie hätten den Fehler in der Buchung erst bemerkt, als das Telefonat bereits beendet gewesen sei. Auch konnten sie den Anruf nicht nachverfolgen und somit nicht zurückrufen.
»Was bedeutet das jetzt für uns?«, fragte Marie müde und genervt.
»Die Zimmer, die wir Ihnen versprochen hatten, waren schon vergeben, an Teilnehmer einer größeren Reisegruppe. Die Gäste sind soeben dort eingezogen. Wir könnten Ihnen aber noch unsere See-Suite im ersten Stock anbieten, natürlich für den gleichen Preis. Allerdings wäre da nur ein Schlafzimmer …«
Buhle räusperte sich: »Ich glaube nicht, dass das geht, ich meine …«
Marie unterbrach ihn schroff. »Ich meine sehr wohl, dass das geht. Wie breit ist das Bett?«
»Einen Meter achtzig, man könnte …«
»Werden Sie heute Nacht über mich herfallen, Herr Kriminalhauptkommissar?«
»Bitte? Nein. Natürlich nicht.«
»Gut, wir nehmen die Suite.« Marie nahm ihren Rucksack und wandte sich der Treppe zu.
Buhle stand noch immer konsterniert vor der Rezeption, beobachtet von einem erleichtert dreinblickenden Portier. »Kann ich Ihnen noch irgendwie helfen? Es tut mit leid, wenn unser Haus Sie in eine delikate Situation gebracht haben sollte, andererseits …« Er schaute Marie nach, und sein Blick sagte, dass es sicher Schlimmeres gab, als eine Nacht mit dieser Frau zu verbringen.
Buhle schloss die Augen, seufzte einmal tief und fragte, ohne den Mann hinter der Theke anzuschauen: »Welche Nummer hat die Suite?«
»Nummer 12.«
»Nummer 12«, wiederholte er resigniert, nahm seinen Trolley und folgte der Frau seines Hauptverdächtigen.
Die Tür zur Suite stand einen Spalt weit offen. Buhle schob
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