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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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Kieker hatte, der musste leiden. Tom war ähnlich. Es gab nur einen wesentlichen Unterschied zwischen uns: Während er sich nur an Schwächeren vergriff, nahm ich es mit jedem auf. Dafür war er noch viel infamer in seinen Gedanken, er hatte teilweise regelrecht sadistische Züge. Ich glaube, so weit ging ich nicht. Aber er imponierte mir durchaus, und deshalb respektierte ich Tom auch als einzigen Mitschüler. Wenn ich daran zurückdenke, waren wir echt ein Horrorteam.«
    Während sie sprach, hatte sie ein kleines Hackbällchen in eine rote Soße gestippt und genüsslich gegessen. Jetzt schob sie eine gefüllte Olive nach.
    Buhle hatte sich zwischenzeitlich eine Dattel im Speckmantel genommen, die er aber perplex von der Offenheit von Marion Reens in der Hand hielt. »Können Sie … kannst du Beispiele nennen, was ihr gemacht habt?«
    »Ja, aber nur wenn du es schaffst, nebenbei etwas zu essen und es dabei auch ein wenig zu genießen. Ich möchte nicht schuldhaft an einem Affront gegen unseren Gastgeber beteiligt sein. Ich hole uns noch einen Krug Wein und Gläser. Trinkt ihr Rotwein?«
    Marie nickte; Buhle biss ein Stück von der Dattel ab, hielt kurz inne und kaute weiter.
    »Das ist wirklich richtig lecker.«
    Marion zog zufrieden nach draußen ab. Als er seine ersten Bissen genossen hatte und nach dem nächsten Tapa Ausschau hielt, fragte er: »Hat sie dir das schon heute Nachmittag erzählt?«
    »Im Wesentlichen schon.« Marie legte den Spieß mit den Gambas wieder auf ihren Teller. »Ich kenne aber noch keine Details. Es kann sein, dass ich irgendwann aufstehe und gehe, wenn ich nicht mehr hören kann, wie Tom in seiner Jugend war. Andererseits wäre es wohl auch falsch, vor der Wahrheit zu flüchten.«
    Sie sah eine Weile ins Leere, gab sich dann einen Ruck und nahm entschlossen den kleinen Spieß wieder in die Hand. »Nein, ich glaube, ich muss da durch«, antwortete sie sich selbst.
    Nachdem Marion allen einen kräftigen Vino tinto eingeschenkt hatte, fuhr sie fort.
    »Beispiele gibt es viele. Aber vielleicht noch eines vorweg: Tom war fies, aber feige. Insofern war er irgendwie auf mich angewiesen, wenn wir jemandem ans Leder wollten. Das gefiel mir, weil ich dadurch eine gewisse Macht über ihn ausüben konnte. Aber oft war er der Initiator. Er suchte die Opfer aus, er machte die Pläne, er bereitete vor. Ich habe mir damals nicht viele Gedanken darüber gemacht, warum er das brauchte. Für mich waren es eher … Gags, ein wenig Action. Da ich alle nicht mochte, war es mir auch egal, wen Tom sich aussuchte. Ich war also keine Spur besser als er, nur vielleicht gleichgültiger.«
    Jetzt hatte Buhle doch das Gefühl, dass ihr das Thema mehr ausmachte, als sie mit ihrer betont lockeren und souveränen Art nach außen tragen wollte. Nachdem sie einen Schluck Wein getrunken hatte, sprach sie weiter.
    »Aber du wolltest ein Beispiel. Wir hatten einen Mitschüler, der hatte tierisch Angst vor seinem Vater, einem richtig autoritären und reaktionären Schwein. Tom hatte schnell herausgefunden, dass dieser Junge zu Hause unglaublich Ärger bekam, wenn Schulbücher nicht in Ordnung waren, Kleider, er musste immer weiße Hemden tragen und Stoffhosen, brrr, also, wenn seine Kleider verdreckt oder kaputt waren und so weiter. Also haben wir genau dafür gesorgt: da ein Glas Saft in ein Buch, rote Marmelade auf das Hemd, einen Riss in die Hose. Da wir es am Anfang relativ offen gemacht hatten, haben wir entsprechend Ärger bekommen. Nicht von den Eltern, die haben nur Klaus-Hermann Druck gemacht, auch weil er sich nicht wehrte.«
    Sie fuhr sich mit der Hand durch ihr einfach frisiertes, glattes Haar. »Die Lehrer sind uns natürlich aufs Dach gestiegen. Also haben wir uns danach heimlich ans Werk begeben. So, dass uns keiner etwas nachweisen konnte, Klaus-Hermann aber sicher wusste, wer ihm den Tintenfleck auf den Lederranzen gemacht oder die Seite aus seinem Buch gerissen und in irgendein Heft gelegt hatte, wo sie der Vater finden würde. Klaus-Hermann entwickelte eine regelrechte Paranoia. Tom genoss das. Irgendwann bot uns Klaus-Hermann Geld an, wenn wir ihn in Ruhe ließen. Tom nahm das Geld und machte weiter. Ich weiß noch, wie der Junge Tom eines Tages auf Knien anflehte, er solle ihm sagen, was er tun müsse, damit das Ganze zu Ende sei. Tom hat nur auf ihn herabgeblickt und gesagt: ›Nichts. Es gibt für dich kein Ende.‹ Das gab es dann erst, als Klaus-Hermann von der Schule genommen wurde. Ich hatte die

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