Tod im Netz: Kriminalroman (Oldenburg-Krimi) (German Edition)
subtil vor, sprach die Sehnsüchte, Ängste und Wünsche der Frauen an. Viele waren auf der Suche nach dem Richtigen, dem Mann fürs Leben, der sie gut behandelte, sich für sie interessierte, und zwar als Person, nicht wegen ihres attraktiven Äußeren. Er hatte sich unterschiedliche Identitäten zurechtgelegt, sogar mehrere Lebensläufe aufgeschrieben, damit er sich nicht in Widersprüche verwickelte.
Frauen, egal ob nun 20 oder 40 Jahre alt, interessierten sich ziemlich schnell für die Ausbildung, beziehungsweise den Beruf des Mannes. Es musste der steinzeitliche Versorgungsinstinkt sein, der die Damen fast automatisch nach dem sozialen Status fragen ließ. In Untersuchungen wurde festgestellt, dass Probandinnen Bilder ein und desselben Mannes einmal in Pilotenuniform, wenig später in einem Blaumann, völlig unterschiedlich bewerteten. Der Pilot wurde von den allermeisten weiblichen Testpersonen als deutlich attraktiver eingeschätzt als der Handwerker.
Die Kunst bestand nun darin, diese Information über den hohen Status einfach einfließen zu lassen, so nebenbei, als wäre es nichts Besonderes , Lufthansa-Pilot zu sein. Man sehe viel von der Welt, wäre dann aber häufig unterwegs und nirgends wirklich zu Hause. Der indirekte Weg führte schneller zum Ziel, das hatte er gelernt.
Er wollte sich wieder der jungen Dame im Chat widmen. Seine internationale Telefonkonferenz war zu Ende. Dafür, dass es so lange gedauert hatte, entschuldigte er sich höflich.
Kapitel 7
Lisbeth hatte am Wochenende nicht wirklich viel gehabt von ihrer Freundin. Sie hatte sich noch im Club mit Thomas, dem ehemaligen Ignoranten, zum Brunch im Grand Café verabredet. Aus verständlichen Gründen wollte Sanne ihn alleine treffen. Auf Lissis »Ja, ja, ich war ja auch mal jung« hatte Sanne geantwortet:
» Du bist die Beste. Wir zwei Hübschen holen das alles nach.«
Dieses Versprechen hatte Sanne schon am späten Nachmittag eingelöst. Das intensive Einkaufsvergnügen in der Oldenburger Innenstadt wurde durch Sannes gute Laune überstrahlt, die verdammt ansteckend gewesen war. Harry schien in ihrem Vokabular gar nicht mehr vorzukommen. Sie hatte Thomas – unvorsichtigerweise -, wie Lissi fand, sogar schon nach Hamburg eingeladen, um ihn dort zu malen. Lissi überlegte, was er dabei wohl tragen oder ob er überhaupt etwas anhaben würde. Sanne verstand sich hervorragend auf Aktzeichnungen in Schwarz/Weiß.
» Hast du mit ‚MrJudge‘ schon Kontakt aufnehmen können?«, riss Paul sie im Büro aus ihren Gedanken.
» Ähm, nein, nicht direkt.«
» Sag mal, Lissi, du bist mit deinen Gedanken ja ganz woanders, was heißt denn bitte 'nicht direkt', postlagernd, oder was?«
» Er war am Wochenende nicht online, also jedenfalls nicht in dem Chat, in dem Elena Wagner Kontakt mit ihm hatte. Dort hatte er sich Donnerstagabend zuletzt eingeloggt, das kann man in den Einstellungen sehen, wenn man nach dem Nick-Namen sucht.«
» Er geht also weiterhin unter seinem alten Namen ins Netz. Wir haben inzwischen drei Hinweise von Leuten, die angaben, Elena Wagner am Tag ihres Verschwindens gegen 21.00 Uhr gesehen zu haben. Ein Mann im Cinemaxx-Kino, die beiden anderen wollen sie im Burg-Café beobachtet haben. Die Kollegen Frank Albers und Matthias Reincke überprüfen gerade die Aussage des Kinogängers. Wir beide nehmen uns das Café vor. Der Kellner und ein Stammgast haben sich unabhängig voneinander gemeldet. Die Aussagen werden wir beide jetzt überprüfen.«
Lissi grinste , als hätte sie eine Urlaubsreise gewonnen. »Was grinst du denn so?«
» Ich kenne das Burg-Café sehr gut. Die backen jeden Kuchen noch selbst, total lecker.«
Lisbeth nahm sich ihre Jacke vom Ständer, schlüpfte hinein und folgte ihrem Chef.
»Was hast du eigentlich sonst so gemacht am Wochenende, ich meine, außer dienstlich im Internet gesurft?«
» Kriege ich diese Zeit eigentlich als Überstunden angerechnet?«
» Lass uns nochmal drüber sprechen, wenn der Fall abgeschlossen ist, ja? Also, was hast du getrieben?«
» Getrieben? Wie sich das anhört…« Lissi musste an ihre erste Begegnung mit Paul Schweigert denken. Sie mochte diesen Karrieretypen aus Frankfurt anfangs gar nicht, als sie voller Tatendrang von der Polizeischule nach Oldenburg versetzt worden war. Um seine Reaktion zu testen, erklärte sie völlig sachlich, dass ihre Vorfahren ursprünglich mal einen anderen Namen getragen hatten: 'Ficken'. Zum ersten Mal sah sie damals Pauls völlig
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