Tod im Netz: Kriminalroman (Oldenburg-Krimi) (German Edition)
Werbeunterbrechung, angehalten. Ihm fehlten immer wieder einige Minuten. Er konnte nicht mal sagen, ob es sein Testosteron oder die Drogen, diese Wahnsinnsfrau oder eine Mischung aus allem war, das ihn so elektrisiert hatte. Aber an jenem Abend fühlte er sich so mächtig, dass er sich am liebsten selbst zum König von Deutschland gekrönt hätte. Komischerweise hielt dieser Rausch am nächsten Tag noch an, er hatte nicht mal einen Kater.
War das jetzt schon eine Sucht oder einfach nur grenzenlose Gier?
Am liebsten hätte er alle Termine für heute abgesagt und sich mit der drallen Blondine in ein entferntes Hotel zurückgezogen. Er musste sie unbedingt wiedersehen. Aber das war nicht so einfach. Dafür forderte der Mann, durch den er erst in den Genuss dieser Lady gekommen war, einen Gefallen, der gewiss viel Staub aufwirbeln würde. Wenn es herauskäme, konnte es sogar sein berufliches Ende bedeuten.
Seine Sekretärin kam herein und brachte ihm seinen doppelten Espresso. Schon rein optisch konnte man sie nicht mit 'Blondi' vergleichen, aber sie hatte diesen verschmitzten Blick. Als sie den Espresso vor ihm abstellte, musterte er ihren hautengen Rock, der ihre fabelhaften Hüften betonte. Er erwischte sich bei dem Gedanken, es mit beiden gleichzeitig treiben zu wollen, schalt sich im selben Moment aber einen Narren. Auf keinen Fall eine aus deinem Büro, bist du wahnsinnig?
Mit zittrigen Händen trank er gierig den Espresso. Selbst die hochkonzentrierte Koffeindosis konnte seine Gier nicht stillen.
***
Der alte Mann sah bedauernswert aus. Er hatte schneeweißes Haar, trug einen ordentlichen Anzug, der aber sicher von der Stange gekauft worden war, und saß zusammengesunken auf dem Stuhl, als hätte er jeglichen Lebensmut verloren. Mit Tränensäcken wie Derrick nach seiner letzten Folge hätte er nicht einmal etwas sagen müssen. Jeder hätte vermutet, dass er schon viel Kummer und Leid in seinem Leben hatte erfahren müssen.
» Wissen Sie, ich bin erst sehr spät Vater geworden, mit fast 50 Jahren. Annika ist mein Ein und Alles. Sie ist noch nie von zu Hause weggeblieben, ohne vorher Bescheid zu sagen. Schon gar nicht über ein ganzes Wochenende. Da muss was passiert sein!«
» Sie haben am Samstag die Vermisstenanzeige aufgeben«, sagte Lisbeth und schaute auf ihren Bildschirm, »haben Sie inzwischen irgendetwas von ihr gehört?« Der Mann zog seine buschigen Augenbrauen zusammen.
» Das wollte ich Sie fragen, deswegen bin ich ja noch einmal zur Polizei gegangen. Wir haben alles Erdenkliche unternommen, meine Frau und ich: Sämtliche Freundinnen und Freunde angerufen. Sie haben uns sogar geholfen, Fotos bei Fatzbook, oder wie das heißt, reingestellt. Ich kenne mich mit diesem neumodischen Kram nicht aus. Annika war dort jedenfalls sehr aktiv. Keiner kann etwas über ihren Verbleib sagen. Bitte, Sie müssen uns helfen. Meine Frau kommt um vor Sorge«, mit einem hilfesuchenden Blick wandte sich Herr Eilers an Paul, »Herr Kommissar, Sie haben doch Erfahrung in diesen Dingen. Hat es etwas mit dem Tod der Studentin zu tun, die sie in Rastede gefunden haben? Annika studiert auch und hat ebenfalls schöne blonde Haare.« Seine Stimme schien fast zu versagen, die letzten beiden Sätze flüsterte er: »Bitte sagen Sie es mir: Ist sie tot?«
» Herr Eilers, in den meisten Fällen tauchen junge Menschen nach ein paar Tagen wieder auf. Momentan können wir nicht von einem Zusammenhang ausgehen. Hatte Annika denn einen Freund?«
» Nein.«
» Vielleicht hat sie jemand kennengelernt, das geht sehr schnell heutzutage?« Paul glaubte seiner eigenen Aussage nicht. Sie bewegte sich häufig im Internet und passte perfekt ins Beuteschema des potenziellen Täters, falls dieser seine Opfer im Internet aussuchte. Er konnte an Lissis Gesicht ablesen, dass sie auch eher davon ausging, dass sie das nächste Opfer geworden war.
» Wie kommt es eigentlich, dass Annika mit 24 Jahren noch zu Hause, also bei Ihnen, wohnt?«
» Wir wohnen fast neben der Uni, bei uns hat sie doch alles.«
» Fehlt denn etwas, hat Ihre Tochter persönliche Sachen mitgenommen: Handtasche, Reisepass, Schlüssel, Klamotten, Unterwäsche?«
» Ihre Handtasche und ihr Handy sind nicht da. Und ihr Reisepass? Da müsste ich mal nachsehen. Von ihrer Kleidung fehlt nichts, außer dem, was sie anhatte. Und eine Tasche hat sie mit Sicherheit nicht mitgenommen. Sie ist letzten Freitag ganz normal zur Uni gegangen und…« Herr Eilers wischte sich
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