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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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kehrten seine Gedanken immer wieder zum Palazzo Ulderighi zurück, zu seinen Bewohnern, dem düsteren Innenhof, den Klängen des Klaviers. Er hatte bemerkt, daß Lorenzini von all dem überhaupt nicht beeindruckt gewesen war, selbst von Grillo nicht, der sich gegenüber einem Landsmann offensichtlich weniger zugeknöpft gezeigt hatte. Ein komischer Vogel, hatte Lorenzini zugegeben.
    »Trotzdem kann man davon ausgehen, daß er weiß, was in diesem Haus alles passiert.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Wissen Sie, was er in Wahrheit tut?«
    »Gelegenheitsarbeiten im Haus, hm?«
    »Von wegen… o ja, wahrscheinlich auch das, aber hauptsächlich kümmert er sich um den Sohn des Hauses.«
    »Ach ja, der Sohn…«
    »Neri Ulderighi, er wohnt in dem Turm, dort in der Ecke des Gebäudes, aber wie es aussieht, verläßt er seine Wohnung nur selten. Anscheinend ist dies der älteste Teil des Hauses, dreizehntes Jahrhundert. Der Rest wurde, zusammen mit dem Innenhof, drei Jahrhunderte später angebaut, als die Ulderighi ihre beste Zeit hatten.«
    »Wie alt ist der Junge?«
    »Anfang Zwanzig, schätze ich.«
    »Mmmh. Nicht ganz richtig im Kopf, was?«
    »Schwer zu sagen. Zart – das ist der Ausdruck, den sie verwenden. War sein Leben lang immer wieder in Krankenhäusern, ist nie zur Schule gegangen. Es scheint sogar fraglich gewesen zu sein, ob er als Kind überleben würde. Die Mutter erdrückt ihn, der Vater hat ihn immer gemieden. Die Mutter will ihn mit einem passenden Mädchen verheiraten, das den nächsten Erben produzieren soll, bevor es zu spät ist.«
    »Und ich vermute, er ist damit nicht einverstanden.«
    »Oh, er ist durchaus einverstanden. Unserem Freund Grillo zufolge kann er es gar nicht abwarten, obwohl er noch nie etwas mit einem Mädchen zu tun gehabt hat. Vielleicht will er aus seinem Elfenbeinturm ausbrechen, und Grillo ist total dafür. ›Er muß heiraten‹, das waren seine Worte. Er ist ja eine ziemlich giftige kleine Kreatur, aber ich bin überzeugt, daß er wirklich an dem Jungen hängt.«
    »Und die anderen?«
    »Schwer zu sagen. Ich glaube, er hat ein bißchen Angst vor der Dame des Hauses, ungeachtet seiner Frechheit. Corsi ist ihm wohl ziemlich schnuppe gewesen, ob tot oder lebendig. Eigentlich sind es die Mieter, die er haßt.«
    »Wieso?«
    »Ich kann es mir nicht erklären. Einfach weil sie da sind, vielleicht. Weil sie Unruhe ins Haus bringen, weil sie nicht zur großen Familie gehören. Vielleicht quälen sie ihn ja, aber das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Sie hören sich alle wie anständige Leute an.«
    Der Wachtmeister, dessen Glaube an die »anständigen Leute« schon lange gründlich erschüttert war, reagierte nicht weiter, und auf der Piazza Pitti gingen sie auseinander, Lorenzini gutgelaunt in Richtung Via Romana zu seiner jungen Frau und dem Baby, der Wachtmeister den ansteigenden Platz vor dem Palazzo Pitti hinauf, nach links zu dem Durchgang, hinter dem die Carabinieri- Station lag. Er sehnte sich nach seiner Wohnung, einer Dusche, Normalität. Er wollte, zumindest für diesen Abend, alles vergessen. Warum also dachte er schon wieder darüber nach? Ein besserer Film hätte vielleicht geholfen. In diesem schien es um nichts anderes zu gehen als einen endlosen Ehestreit. Worüber sich die beiden stritten, war ihm völlig schleierhaft.
    »Was hab ich dir gesagt!« verkündete Teresa und zeigte mit einer Stricknadel anklagend auf den Bildschirm.
    »Hm?«
    »Er hat es die ganze Zeit gewußt. Ich hab dir doch gesagt, daß sie beschattet wurde, als sie angeblich zum Friseur ging.«
    »Ah.«
    »Von dem Typ in dem roten Cabrio. Ich glaube, er macht mit ihrem Mann gemeinsame Sache, und gleichzeitig will er sie erpressen.«
    »Ah.«
    »Salva, ich kenne niemanden, der so schwer von Begriff ist wie du – schau, er ruft ihn an, es stimmt also, was ich gesagt habe.«
    Sie hat recht, dachte der Wachtmeister, mit ihrer Bemerkung über seine schwerfällige Art. Jeder auch nur halbwegs intelligente Mensch hätte vor der Marchesa Ulderighi und ihren Freunden den Mund gehalten, bis feststand, wer der Täter gewesen war. Er quälte sich durch den Rest des Films, und der Knoten in seiner Brust zog sich immer enger zusammen, je mehr er versuchte, sich seiner mit rationalen Erwägungen zu erwehren. Er wollte ins Bett gehen, obwohl er überzeugt war, daß er keinen Schlaf finden würde. Merkwürdigerweise schlief er aber tatsächlich ein, und zwar fast sofort, aber er wachte viel früher als sonst

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