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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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ratsam.«
    »Ich verstehe. Sie sind aufgewacht und haben nachgesehen, wie spät es war, weil Sie wissen wollten, ob Sie…«
    »Nein, es war ja die Nacht von Samstag auf Sonntag. Wenn Sie je unter Schlaflosigkeit gelitten haben, dann wissen Sie, daß das Problem zur Hälfte dadurch verursacht wird, daß man voller Unruhe daran denkt, nicht einschlafen zu können, weil man am nächsten Tag aufstehen und arbeiten muß.«
    »Ich glaube, ich habe nie…«
    »Dann können Sie sich glücklich schätzen. Jeder Mensch reagiert auf diese Unruhe natürlich anders. Manche können nicht essen.«
    »Ich glaube nicht…«
    »Nein…«
    Sie wandte den Blick, der unfreiwillig auf seinen massigen Leib gefallen war, sofort wieder ab, konnte sich aber die Bemerkung nicht verkneifen: »Und andere essen zuviel, um sich zu trösten.«
    Der Wachtmeister schwieg.
    »Jedenfalls… wo war ich? Ach ja, Samstag nacht. Also, da ich sonntags nicht früh aufzustehen brauche, versuche ich, nichts zu nehmen. Ich möchte nicht von Medikamenten abhängig sein, und so lasse ich mir Samstag nachts etwas Freiheit. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. In dieser Nacht hat es nicht funktioniert – ich bin zwar beim Lesen eingeschlafen, dann aber, wie so oft, etwa zwei Stunden später plötzlich wieder aufgewacht. Von Aufwachen kann eigentlich nicht die Rede sein. Es ist eher so, daß ich mit rasendem Herzen aus dem Bett hochschnelle wie ein gefangener Lachs.«
    »Hatten Sie einen Schuß gehört?« fragte der Wachtmeister verwirrt, den Stift hoffnungsvoll gesenkt.
    »Einen Schuß…? Nein, nein, ich erkläre ja nur, wie ich nachts vor lauter innerer Unruhe aufwache. Wenn das passiert, muß ich kapitulieren und die Tabletten nehmen. Folgen Sie mir?«
    »Ich glaube ja. Sie haben auf die Uhr gesehen, um…«
    »Genau. Es war halb drei, so etwa. Ich habe eine ganze Tablette genommen. Ich habe mich geärgert, weil ich am nächsten Tag, obwohl ja Sonntag war, zu einer normalen Stunde aufstehen wollte, denn ich hatte verschiedene Dinge zu erledigen, aber da ich das nach einer schlaflosen Nacht nicht packen würde…«
    »Aber der Lärm, den Sie gehört haben?«
    »Ich komme dazu. Das war, nachdem ich die Pille genommen hatte.«
    »Sie sind also nicht sofort eingeschlafen?«
    »Meine Güte, nein! Es dauert so etwa eine halbe Stunde, bis ich zur Ruhe komme. Ich lese ein bißchen. Dann habe ich den Krach gehört. Ich glaube, ihr Schlafzimmer liegt direkt unter meinem.«
    »Das Schlafzimmer der Ulderighi.«
    »Ja, ich höre immer, wenn sie sich streiten. Habe gehört, sollte ich wohl sagen – aber meistens habe ich nur sie gehört. Hysterische Frau. Er hat immer versucht, ruhig zu bleiben, und ich habe mich oft gefragt, ob er wußte, daß ich alles mitbekam. Er war immer sehr höflich zu mir.«
    »Und die Marchesa ist nicht höflich?«
    »Nein. Ich weiß nicht, ob Sie eine Ahnung haben, was sie für diese Wohnungen an Miete verlangt, aber ich kann Ihnen sagen, es ist eine ganze Menge. Wir alle sind gute Mieter, die sich um das Haus kümmern und regelmäßig zahlen, und trotzdem werden wir behandelt, als wären wir Penner oder so. Sie haßt uns. Sie kann sich gerade dazu durchringen, guten Morgen zu sagen, wenn man ihr auf dem Hof begegnet, aber ihr Gesicht sagt ›Wie kannst du es wagen, dieses Haus zu betreten‹. Wissen Sie, daß wir den Lift nicht benutzen dürfen?«
    »Ich habe es gehört.«
    »Genau danach berechnet sich aber die Miete – ob es einen Lift gibt und so. Wir müssen dafür zahlen, bekommen aber keinen Schlüssel, um ihn benutzen zu können.
    Sie würde uns nicht den Haupteingang benutzen lassen, wenn es noch einen zweiten gäbe, darauf können Sie sich verlassen! Diese Leute sind doch alle gleich, pflegen ihren alten Lebensstil auf Kosten der Mittelschicht, und gleichzeitig verachten sie uns. Das ist es im Grunde. Sie sind von uns abhängig, und deswegen hassen sie uns, während Geschöpfe wie dieser giftige Zwerg und dieses verrückte alte Kindermädchen von ihnen abhängig sind und deswegen gut behandelt werden.«
    »Sie müssen sich hier sehr unwohl fühlen«, bemerkte der Wachtmeister.
    »Na ja, ich bin schon dabei, mir etwas anderes zu suchen, ja.« Dr. Martellis Gesicht, das sich während ihrer kurzen Tirade gerötet hatte, wurde wieder blaß. Die Finger, mit denen sie auf der polierten Sessellehne getrommelt hatte, setzten ihre rhythmische Bewegung aber fort. Ihre kleinen Hände wirkten kräftig, die Nägel waren kurz und gepflegt.

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