Tod im Pfarrhaus
die Eheleute Karlhög den Spitznamen Kackhaufen bekamen.
Karlhögs hatten auf beiden Seiten ihres Reihen hauses einen hohen Zaun. Sie grüßten nieman den. Dafür legten sie wütende Mitteilungen in die Briefkästen ihrer Nachbarn, wenn ihnen etwas nicht passte. Meist ging es um nachlässiges Schneeschippen oder Sandstreuen auf dem gemeinsamen Straßenstummel vor dem Haus. Seit Sammie vor neun Jahren zu Familie Huss gekommen war, war der Krieg erst richtig ausgebrochen. Nun wurde plötzlich geklagt, dass überall Hundehaufen herumlägen, obwohl das gar nicht sein konnte, weil sie alles immer mit speziellen Tüten aufsammelten.
»Wer klaubt denn die Haufen der herumstreunenden Katzen auf?« Irene hatte sich einmal erdreistet, diese Frage an Herrn Karlhög zu richten, nachdem sie wieder einmal einen Beschwerdezettel erhalten hatten. Eine kräftige Röte überzog Herrn Karlhögs bebende Wangen, und sein kleiner, schmallippiger Mund öffnete und schloss sich, ohne dass er einen Ton herausgebracht hätte. Irene hatte an einen fetten Goldfisch denken müssen, den man in seinem Aquarium gestört hatte. Ein leises Klopfen am Glas des Aquariums, und schon wirbelte seine kleine, heile Welt durcheinander. Hätte sie kräftiger geklopft, wäre vollständiges Chaos ausgebrochen.
Sammie war ein Irish Softcoated Wheaten Terrier. Der Name der Rasse war umständlich, drückte aber das Wichtigste aus: Er war ein Terrier. Alle Terrier sind geborene Jagdhunde. Sie sind fröhliche und anhängliche Tiere und haben ein lebhaftes Temperament. Sammie hatte immer gerne alles gejagt, was sich bewegte. Seine absolute Lieblingsbeute waren Katzen. Er war als Katzenjäger berüchtigt. Einmal hatte Irene deswegen sogar einen Hundepsychologen konsultiert. Dieser hatte gemeint, dass ein ererbter Jagdinstinkt nicht zu beseitigen sei. Sie müssten eben darauf achten, dass der Hund immer angeleint sei. Das war leichter gesagt als getan. Laut Krister hätte Sammie der Hund des Ausbrecherkönigs Houdini sein können - wie das Herrchen, so der Hund …
Die Karlhögs hatten immer eine Katze besessen. Die erste war vor einigen Jahren an Altersschwäche gestorben. Umgehend hatten sie sich dann Felix zugelegt. Dieser wurde verwöhnt, gemästet und unendlich geliebt.
Und jetzt hatte Sammie diesen Kater getötet.
»Wie … wie ist das denn passiert?«, fragte Irene matt.
»Wir sind vor etwa einer Stunde Gassi gegangen. Sammie war vollkommen ruhig. Plötzlich prescht er wie ein Irrer nach vorne und wirft sich in die Thujahecke. Drinnen saß Felix. Es ging alles so schnell. Ich konnte gar nicht reagieren. Alles war in zwei Sekunden vorbei. So was auch! Sammie hat nur ein paar Mal geschüttelt, und dann war die Katze auch schon tot. Hat keinen Pieps mehr von sich gegeben. Er hat ihr die Kehle durchgebissen, es blutete … wie eklig!«
Als Veganerin war Jenny eine große Tierfreundin. Anklagend sah sie jetzt ihren Hund an. Sammie wirkte nicht im Geringsten schuldbewusst, spürte aber, dass die Spannung in der Luft negativ und nicht zu seinem Vorteil war. Er tat das, was er in solchen Situationen immer tut. Er verdrückte sich die Treppe hinauf ins Obergeschoss und versteckte sich unter einem der Betten. Dort lag er immer, bis sich die Wogen wieder geglättet hatten.
»Hat Kack … Karlhög gesehen, wie Sammie Felix totgebissen hat?«
»Ja. Er stand nur ein paar Meter weit entfernt und hat vor dem Gartentor gefegt. Als er begriff, was passiert war, hat er mich und Sammie mit dem Besen gejagt, aber ich bin ins Haus geflüchtet und habe abgeschlossen. Dann hat er vor der Tür gestanden und geschrien, er würde Sammie umbringen.«
Irene merkte, dass sie plötzlich wütend wurde. Ruhig fragte sie:
»Hat er mit dem Besen etwa auch nach dir geschlagen?«
Jenny sah sie erstaunt an.
»Natürlich. Ich habe schließlich die Leine gehalten.«
Irene machte sich nicht die Mühe, ihre Jacke wieder anzuziehen, ehe sie aus der Haustür trat. Sie öffnete die Gartenpforte der Karlhögs und marschierte auf die stets frisch gestrichene Haustür zu. Diese wurde aufgerissen, noch bevor sie auf die Klingel drücken konnte.
»Das wird Sie teuer zu stehen kommen …«, begann Karlhög.
Mit autoritärer Polizistinnenstimme unterbrach ihn Irene:
»Jetzt halten Sie erst mal den Mund. Ich verstehe, dass Sie traurig sind, dass Felix tot ist, aber das ist nun wirklich Ihre eigene Schuld. Schließlich haben Sie Ihre Katze frei herumlaufen lassen, und damit gehen Sie ein großes
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