Tod im Pfarrhaus
fauchte sie und stupste ihm mit den Zehen gegen die Schnauze.
Krister murmelte etwas Unverständliches und drehte sich auf die Seite, um weiterzuschlafen. Es half also nichts. Sie musste sich dazu aufraffen, aufzustehen und mit dem Hund rauszugehen. In den Zimmern der Mädchen regte sich noch nichts. Das hatte Irene auch nicht erwartet.
Die Sonne schien von einem leuchtend blauen Himmel, und es war fast windstill. Irene ging Richtung Fiskebäck Marina. In den Gärten der Ein familienhäuser blühten die Schneeglöckchen und Krokusse, und an den Hauswänden schossen bereits die Osterglocken aus dem Boden. Am Meer wehte ein schwacher Wind, der nach Salz und fauligem Tang roch. Irene füllte ihre Lungen und merkte, dass ihre Lebensfreude neue Nahrung bekam. Das war wirklicher Reichtum, die Nähe des Meeres.
Katarina deckte den Tisch und machte das Frühstück, als Irene nach Hause kam. Sie hatte Sammie das Halsband noch kaum ausgezogen, da raste er schon in die Küche, um zu verstehen zu geben, dass ihm ein oder zwei Brote mit Leberpastete jetzt ausgezeichnet munden würden. Jemand von den anderen beiden war ebenfalls auf. Irene hörte oben die Dusche.
»Hallo, Liebes. Hast du gestern gesehen, dass ich im Sofa saß und schlief, als du nach Hause gekommen bist?«, fragte Irene.
»Wie hätte ich das nicht bemerken sollen? Du hast geschnarcht«, antwortete Katarina und grinste spöttisch.
»Warum hast du mich nicht geweckt?«
»Aber hör mal! Ich habe dich angesprochen, aber du hast geschlafen wie eine Tote.«
Irene musste zugeben, dass sie sehr müde gewesen war. Der Schyttelius-Fall hatte ihr in der vergangenen Woche einiges an Überstunden eingebracht. Da sie Katarina jetzt schon mehrere Tage fast gar nicht gesehen hatte, nutzte sie die Gelegenheit, das anzusprechen, was sie beschäftigte, seit sie es erfahren hatte.
»Papa sagt, dass du dich an einem Schönheitswettbewerb beteiligen willst«, sagte sie leichthin.
Katarinas Lächeln verschwand sofort von ihren Lippen.
»Ja. Witzig, das auch mal auszuprobieren.«
»Wieso?«
»Was, wieso?«, fauchte Katarina.
»Wieso beteiligst du dich an einem Schönheitswettbewerb?«
»Da trifft man eine Menge interessanter Leute und kommt rum. Man wird so etwas wie eine Botschafterin für seine Stadt und ein Vorbild für andere Mädchen. Hat irgendwas mit der Smoke-free-Generation zu tun. Dann gibt’s außerdem noch fünfundzwanzigtausend auf die Kralle. Und die Möglichkeit, als Modell zu arbeiten. Saugut bezahlt das Ganze.«
Verblüfft schaute Irene ihre Tochter an. Noch vor einigen Jahren hatte Katarina gesagt, Schönheitswettbewerbe seien das Allerletzte. Was sie jetzt äußerte, klang wie auswendig gelernt und wenig überzeugend. Mit ruhiger Stimme stellte Irene die Frage noch einmal:
»Wieso nimmst du eigentlich an einem Schönheitswettbewerb teil?«
Das Gesicht ihrer Tochter war wutverzerrt, aber als sie sich wieder in die Augen sahen, stellte Irene erstaunt fest, dass Katarinas voll Tränen waren.
»Um zu zeigen, wie Unrecht er hat«, flüsterte sie.
Irene machte ein paar große Schritte auf sie zu und nahm sie in die Arme. Sie wiegte sie unbewusst wie damals vor langer Zeit, als sie noch ein kleines Kind gewesen war und sich Trost suchend in ihre Arme geflüchtet hatte.
»Er? Etwa Micke?«, fragte sie leise.
Katarina nickte und schluchzte. Lange standen sie reglos so da.
Die Dusche im Obergeschoss rauschte nicht mehr, und Kristers falscher Bass war zu vernehmen: »I can’t get no da-da-da-da-da-daaa sa-tis- fac-tion, I can’t get no bam-bam-bam-bam-bam sa-tis-faction, but I’ll try and I’ll try and I’ll try-hai-ai …«
Irene hielt ihre Tochter etwas auf Abstand und fing ihren Blick auf. Trotz ihrer Tränen musste Katarina lächeln.
»Dass er immer alte Stones-Songs unter der Dusche singen muss«, sagte sie.
Mutter und Tochter mussten lachen. Katarina riss ein Stück Küchenpapier ab, um ihre Tränen zu trocknen und sich die Nase zu putzen. Sie stand mit dem Rücken zu Irene. Ohne sich umzudrehen, sagte sie tonlos:
»Als wir … als Micke Schluss gemacht hat, hat er gesagt, ich sei eine hässliche fette Kuh.«
»Fette Kuh! Du weißt, dass das nicht wahr ist! So was sagen Leute nur, wenn sie außer sich und ganz wütend sind«, sagte Irene.
Katarina drehte sich um und sah ihr ins Gesicht.
»Nein. Er war eiskalt. Keine Spur aufgeregt.«
»Das ist auch eine Art, seine Wut zu zeigen.«
»Er war verdammt nochmal nicht wütend! Nur
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