Tod im Schärengarten
Ein Mann, der seine Familie mit eiserner Hand regierte. Da gab es keine zwei Meinungen.
Mit bekümmerter Miene sah Britta zu ihrem Gatten am Preistisch hinüber. Hans war müde und erschöpft. Es waren wirklich ein paar schreckliche Tage gewesen, und sie machte sich Sorgen um ihn. Er wurde schließlich schon fünfundsechzig und war kein junger Spund mehr. Sein Pflichtgefühl in allen Ehren, aber die Gesundheit ging vor. Sie hatte ihm gegenüber nie erwähnt, wie sehr sie sich darauf freute, dass er seine Aufgaben im Vorstand des KSSS bald abgeben würde, aber inzwischen zählte sie die Tage.
Wenn sie ehrlich sein sollte, hatte sie Oscar nie besonders gemocht. Er war viel zu selbstherrlich gewesen, viel zu überzeugt von seiner eigenen Vortrefflichkeit. Es war, als hätte er sich schon vor langer Zeitdaran gewöhnt, dass die Leute immer das taten, was er wollte. In diesem Sommer hatte er schon begonnen, als Vorsitzender aufzutreten, obwohl Hans noch im Amt war. Oscar hatte gemacht und getan und war mehrere Male dicht davor gewesen, Hans zu blamieren.
Britta fand das anmaßend. Aber das hatte sie ihrem Mann nicht gesagt.
Sie hatte die liebe Sylvia, die wesentlich angenehmer war, immer vorgezogen. Auch kam sie aus einer viel besseren Familie. Aber Sylvia hatte ihren Mann nicht oft begleitet, sie blieb lieber in ihrem Sommerhaus auf Ingarö. Sie fühlte sich vermutlich nicht sehr wohl auf diesen ganzen Gesellschaften, auf denen Oscar sich mit seinem dröhnenden Lachen und seinen ständigen Seglergeschichten in den Vordergrund drängte. Und wahrscheinlich hatte Oscar nichts dagegen gehabt, dass Sylvia zu Hause blieb und ihm freie Hand ließ.
»Oder nicht, Britta?«
Britta zuckte bei Isabelles Frage schuldbewusst zusammen. Sie war tief in Gedanken versunken gewesen.
»Entschuldige, was hast du gesagt?«, erwiderte sie beschämt. »Ich habe gerade nicht zugehört. Ich bin schon die ganze Woche so durcheinander. Neulich habe ich meinen Fotoapparat verlegt und heute Morgen meine Sonnenbrille.«
Isabelle schien es ihr nicht übel zu nehmen. Sie lächelte Britta nachsichtig an.
»Ich habe nur gesagt, ich hoffe, dass die Preisverleihung nicht so lange dauert. Es wäre schön, wenn dieser Abend bald überstanden wäre.«
Britta nickte zustimmend und trank einen Schluck von ihrem Champagner. Er war inzwischen schal geworden. Ein Glück, dass Hans bald aufhörte und ihr diese Art von Veranstaltungen erspart blieb.
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Donnerstag, erste Woche
Kapitel 23
»Na endlich«, sagte Kalle und hielt ein Fax hoch, das gerade angekommen war.
Es ging auf vier Uhr nachmittags zu. Sie waren fast allein auf der Etage. Viele waren schon im Urlaub, und die Kollegen, die den Regatta-Mord bearbeiteten, waren unterwegs.
Erik nahm das Fax entgegen. Er erkannte den Briefkopf sofort wieder. Staatliches Kriminaltechnisches Labor, SKL , stand ganz oben in einer Ecke.
»Das ist also der Obduktionsbericht aus Linköping?«
»Japp«, antwortete Kalle mit einem Nicken.
Erik setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Kalles Schreibtisch und überflog hastig den drei Seiten langen Bericht.
»Aha«, sagte er dann und kratzte sich am Kopf. Das dunkle Haar war mit Gel nach hinten gekämmt. Sein weißes, kurzärmeliges Tennisshirt hatte sich am Rücken leicht hochgeschoben und einen Streifen sonnenbrauner Haut über der Jeans freigelegt.
»Scheint, als gäbe es keine Zweifel, was das betrifft.« Er hielt die zweite Seite hoch.
»Sieht ganz so aus.«
»In Julianders Blut waren Spuren von Kokain.«
»Winbergh hatte recht mit seinem Verdacht«, sagte Kalle.
»Was bedeutet das?«
»Ja, das ist die Frage. Was bedeutet das?«
»Nora, das sind ja gute Neuigkeiten. Denk nur, wie schön alles werden kann.«
Monica Lindes enthusiastische Stimme schallte aus dem Telefon.
»Ich habe es von Henrik gehört. Jetzt könnt ihr euch genauso ein Haus in Saltsjöbaden kaufen, wie ihr es immer haben wolltet. Da kann ich nur gratulieren. So hat die schreckliche Tat dieser Frau also doch noch etwas Gutes gehabt. Nichts ist so schlecht, dass es nicht für irgendwas gut ist, stimmt’s?«
Es war, als wüsste Noras versnobte und taktlose Schwiegermutter genau, welche Knöpfe sie drücken musste, um ihre Schwiegertochter zu ärgern.
Nora hatte Monica Linde nie besonders gemocht, nicht zuletzt deswegen, weil sie selten eine Gelegenheit ausließ, mit ihren vornehmen Freunden zu prahlen, die sie in ihrem langen Leben als Diplomatengattin kennengelernt hatte. An
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