Tod im Sommerhaus
hatte sich über sie gebeugt und schrie wie am Spieß. Als sei sie die Leidtragende!
»Du raffst auch gar nichts«, sagte sie mit belegter Stimme.
»Verdammt, ich muss doch was sagen!«
Die andere Frau sah sie verbissen an.
»Es war total bescheuert, dort anzurufen. Aber es war deine eigene Entscheidung. Tu, was du nicht lassen kannst, das habe ich dir schon vorher gesagt. Aber halt mich da raus, das habe ich auch gesagt, oder? Und jetzt wollen die auf einmal mit mir reden! Man muss nicht gerade ein Genie sein, um zu begreifen, wieso, oder?«
Li wich ihrem Blick aus.
»Ich habe nur gesagt, du wüsstest auch, dass ich dort gewesen sei, also bei Bosse«, sagte sie schließlich. »Dass ich dir davon erzählt hätte.«
»Ich weiß überhaupt nichts!«, fiel ihr die andere ins Wort.
»Wo du warst und nicht warst. Nicht das Geringste! Ist dir das klar?«
Li mied noch immer ihren Blick, ihre Wangen hatten sich leicht gerötet.
»Na, dann vielen Dank«, sagte sie nach kurzem Schweigen.
»Allerherzlichsten Dank für deine freundliche Unterstützung!«
Sie ging auf die Tür zu, aber die ältere Frau versperrte ihr den Weg, packte sie, riss sie herum und schubste sie aufs Sofa.
»Nicht so eilig. Wir sind noch nicht fertig.«
»Was zum Teufel … Was fällt dir eigentlich ein!«
Li versuchte aufzustehen, aber Mama schob sie zurück und beugte sich über sie.
»Immer mit der Ruhe. Wir müssen miteinander reden, habe ich gesagt.«
»Worüber? Du willst dich doch unbedingt raushalten? Was gibt’s dann noch zu bereden? Topfpflanzen?«
Mama richtete sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Was weißt du eigentlich über ihn?«, fragte sie nach einer Weile. »Über Bosse.«
Li starrte ihr ins Gesicht.
»Wie meinst du das?«
Mama schnaubte verächtlich.
»Wie lange hängst du schon mit ihm rum - wie lange jetzt - ein knappes halbes Jahr? Was weißt du eigentlich über ihn? Hast du ihn überhaupt mal gefragt, was er früher so gemacht hat?
Einen Scheißdreck weißt du über ihn.«
Li schüttelte heftig den Kopf.
»Ich weiß genug! Ich weiß, dass er nichts mit dieser Sache zu tun hat!«
»Und wieso haben sie ihn dann mitgenommen?«
»Das ist irgendein beschissener Irrtum! Oder jemand will ihn reinlegen und versucht, ihm das anzuhängen …«
»Und wieso? Wieso sollte ihm jemand das anhängen wollen?
Kennst du jemanden, der ein Interesse daran haben könnte? Ist er so interessant?«
Li schüttelte den Kopf.
»Idioten gibt’s immer.«
»Reicht das, meinst du?«
»Ja, das reicht! Da ist irgendjemand, der krank im Kopf ist und ihn nicht ausstehen kann, begreifst du das denn nicht?«
Mama schnaubte erneut.
»Kannst du mir ein Beispiel nennen?«
Li starrte sie an und ballte die Fäuste.
»Ich weiß, dass es nicht Bosse sein kann! Schließlich war ich letzten Donnerstag bis spät in die Nacht bei ihm, das weißt du auch …«
»Und danach?«, unterbrach sie die andere. »Freitag, Samstag, Sonntag? Du hast nicht die geringste Ahnung, wo er da war oder was er da getrieben hat. Und das ist auch kein Zufall, oder? Du kommst, wenn er pfeift. Du hast nicht mal einen Schlüssel für seine Wohnung. Er lässt dich rein, wenn’s ihm gerade passt. Stimmt’s?«
Li rutschte nervös hin und her.
»Was soll denn das! Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass er das getan haben könnte? Diese alten Leute totzuschlagen?«
Streitlustig streckte sie das Kinn vor.
»Ich kenne ihn einfach! Glaubst du nicht, dass man sowas im Gefühl hat?«
Die ältere Frau stand immer noch vor ihr und betrachtete sie schweigend. Li erhob sich abrupt.
»Okay! Ich sage denen, dass ich mich geirrt habe. Oder geflunkert habe. Du weißt überhaupt nichts, und ich habe nicht mit dir geredet. Ich war auch nicht bei dir zu Hause. Verdammt, ich kann auch sagen, dass ich nicht mal weiß, wer du bist, dass ich deinen Namen im Telefonbuch entdeckt habe! Zufrieden?«
Das Gesicht der anderen nahm einen verbissenen Ausdruck an.
»Du sagst überhaupt nichts mehr, finde ich. Jedenfalls nicht zu denen. Was du bisher gesagt hast, reicht vollkommen. Aber ich hätte gerne noch einige andere Dinge gewusst.«
Li starrte sie an.
»Warum das? Dir war es doch so wichtig, nicht in die Sache verwickelt zu werden!«
Mama verzog leicht den Mund.
»Vielleicht kann ich dir helfen. Und Bosse. Du kennst ihn doch so gut, behauptest du. Dann erzähl schon! Erzähl, was du weißt.«
Das lächelnde Monster
Nielsen stand am Fenster und
Weitere Kostenlose Bücher