Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
Vom Netzwerk:
durchsuchen«, sagte Hammer, während er über mich hinweg und dann unter dem Tisch hervorkroch. »Die schicken uns aufs Land, bloß weil wir für den alten Jordill arbeiten. Nun mach schon!«
    Ich stand ebenfalls auf und starrte ihn unglücklich an.
    »Geh doch, wenn du willst«, sagte ich.
    »Worauf du dich verlassen kannst - und wenn du einen Funken Verstand hast, dann verkrümelst du dich auch so schnell wie möglich, du Waisenknabe!« Er rannte wie ein Wilder in dem Raum herum, wühlte alles durch und stopfte die verschiedensten Gegenstände in einen Tuchsack. March Jordill hatte während des Gesprächs mit dem schwierigen Kunden, der zweifellos ein Polizeispitzel gewesen war, das Manskin-Idol in einer Schublade verschwinden lassen. Hammer holte es heraus und stopfte es gleichfalls in den Sack, dann wandte er sich zum Gehen.
    An der Tür blieb er stehen und drehte sich noch einmal um.
    »Kommst du, Knowle?«
    »Ja - bald.«
    »Komm endlich zu dir! Der Alte ist für immer weg, und das weißt du genausogut wie ich. Sieh mich an - ab sofort bin ich frei und selbständig. Ich gehe von jetzt an meinen eigenen Weg. Warum willst du nicht mitkommen?«
    »Noch nicht.«
    »Also dann, viel Glück!« Er ballte seine Hand zur Faust, streckte den Daumen nach oben, warf sich den Sack über die Schulter und verschwand.
    Ich fühlte mich wie ausgeleert. Ich trat an das staubige Fenster und starrte hinaus. Eine Minute später erschien Hammer im trüben Licht der Straßenlampe; inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen. Als er über die Straße ging, trat ein Uniformierter, der das Haus beobachtet hatte, aus dem Schatten heraus, packte ihn an einem Arm, drehte ihn auf den Rücken und führte Hammer ab. So endete für Hammer die Zeit der Freiheit und Selbständigkeit.
    Jetzt konnte ich die Flucht wagen. Aber bevor ich ging, brach ich in Tränen aus, die ersten, die ich weinte, seit ich aus dem Waisenhaus entlassen worden war, Tränen, mit denen ich meine Einsamkeit beweinte und die Dunkelheit, die sich wie zäher Schlamm um mich schloß, und meinen Meister, dem man in diesem Augenblick tief unter der Stadt den Kopf zerschlug, jenen langen, schmalen Schädel, der so viele kluge Gedanken beherbergte, Tränen um Dinge, die ich niemals wissen würde.
    Als ich ein paar Jahre später selbst ein Landarbeiter geworden war, traf ich Hammer wieder, der es inzwischen zum Aufseher gebracht hatte, grob und ungehobelt, aber er war davongekommen. In all den Jahren hoffte ich, March Jordill wieder zu begegnen. Vergeblich. Statt dessen stand ich an diesem heißen Tag in Walvis Bay vor Peter Mercator, jenem Mann, den ich als unseren Farmer kennengelernt hatte und den ich verabscheute.
     
     
    10
     
    Der Schock rüttelte mich wach. Was ich dann tat, überraschte ihn vielleicht mehr als alles andere, was ich mir hätte ausdenken können. Ich nahm die Sonnenbrille ab, schob sie in die Tasche und sagte schlicht: »Ich bin Knowle Noland. Sie wollten mich sprechen.«
    Er stand auf und kam auf mich zu. Durch das schlohweiße Haar und die pechschwarzen Augen wirkte sein Gesicht sehr eindrucksvoll. Seine wachen Augen wanderten forschend über mich hin.
    »Und ob ich mit Ihnen sprechen will! Setzen wir uns dort drüben ans Fenster.«
    Als ich weiter ins Zimmer hineintrat, sah ich, daß noch jemand bei ihm war, ein kleiner, alter Mann mit einem schwammigen Gesicht und ruhelosen Händen, die sich ständig umeinander drehten. Aufgrund seiner Kleidung und des geschäftsmäßigen Eindrucks, den er machte, vermutete ich, daß er wahrscheinlich kein gedungener Gangster war - trotzdem blieb ich auf der Hut.
    Mercator bestätigte meine Vermutung, indem er zu dem kleinen Mann sagte: »Würden Sie uns bitte ein Weilchen allein lassen, Doktor.«
    Der Doktor zögerte. »Denken Sie an das, was ich gesagt habe. Medikamente allein können Ihnen nicht helfen. Sie müssen sich mehr schonen, sonst kann ich keine Verantwortung übernehmen.«
    Mit einem Unterton von ruhiger, aber verzweifelter Entschlossenheit in der Stimme erwiderte Mercator: »In zwei Tagen werde ich versuchen, mich an Ihre Vorschriften zu halten, Doktor, falls wir dann noch da sind.«
    Der Arzt machte eine steife Verbeugung und zog sich zurück.
    Von dem Sessel am Fenster aus konnte ich durch die Spalten der Jalousie die Strandpromenade sehen. Ein paar Leute gingen in der hellen Nachmittagssonne spazieren, und ich sah, daß der Ort sich allmählich belebte. Die Straße lag sehr tief unter mir; ich hatte

Weitere Kostenlose Bücher