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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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blickte auf die Menschenmenge in den Straßen hinunter. Dann begann er, ihnen mit erhobener Stimme etwas zuzurufen, Worte, die ich von ihm schon so oft gehört hatte, daß ich sie auswendig kannte, obwohl er sie gelegentlich umstellte oder gegen andere austauschte.
     
    »Seht euch an, ihr Menschen!
    Ihr hättet nie aufhören dürfen, euch anzusehen.
    Ihr Menschenkinder, wie Wildwuchs
    habt ihr die Umfriedungen
    eurer Erbanlagen gesprengt
    und wuchert in grotesken Formen.
    Keiner eurer unzähligen Götter
    hat je ein Auge auf euch gehabt.
    Sie zeigen euch den Hintern!
    Ihr müßt euch selbst kümmern,
    Menschen, Erdgeschöpfe, Staubkreaturen.
    Seht euch an, seht euch genau an und nehmt ein Messer
    und schnitzt euch selbst ein Gewissen!«
     
    Die Worte verhallten ungehört, aber in demselben Augenblick hörte man unten ein energisches Klopfen. Er steckte die Statue in die Tasche, legte mir mit gebieterischer Geste eine Hand auf die Schulter, und wir stiegen hinunter, wo uns ein Kunde erwartete, mit dem der Meister ein langes Feilschen begann.
    Der Raum war mit allen möglichen Dingen vollgestopft, nicht nur mit alten Kleidungsstücken, sondern auch mit vielen anderen Sachen, die der Meister in der Hoffnung angehäuft hatte, sie später für einen guten Preis verkaufen zu können. Da waren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, für die man keine Verwendung mehr hatte; sie erweckten in mir ein merkwürdiges Bild unserer Vergangenheit - das Bild von einsamen Menschen, die seltsame Dinge taten und dachten, die in keinerlei Beziehung zur Wirklichkeit und den wichtigen Problemen des Lebens standen. Viele Bücher lagen hier herum, denn in einer Stadt, in der kein Mensch lesen konnte, gab es auch keine Käufer, und so wurden die Bücher teils in alten Kisten gelagert, teils in einer Ecke so aufgeschichtet, daß sie der alten Lamb als Arbeitstisch für ihre Näharbeiten dienten. Da der Meister verrückt war, las er all diese Bücher, manchmal sogar laut, was Hammer sehr langweilte, denn er begriff nicht, welche Bedeutung die Kunst des Lesens hatte. Aber ich begriff es, und March Jordill ermutigte mich.
    »Sich immer isolieren, mein Junge, sich stets von allem absondern«, sagte er zu mir, und seine Augen starrten mich zwischen den faltigen Lidern an. »So hat der Mensch es immer gemacht, und das war falsch. Irgendwann hat er einen schwerwiegenden Fehler gemacht - aber davon wollen wir jetzt nicht reden. Was ich meine, ist, daß wir uns von unserer Umwelt immer mehr abgeschnitten haben. Weißt du, was der größte Fortschritt war, den unsere haarlose Art jemals zustande gebracht hat?«
    »Die Entdeckung des Rades?« fragte ich. Davon hatte ich gehört, und während ich diese Frage stellte, ging mir der Gedanke durch den Kopf, daß man vielleicht irgendwo in dem Labyrinth der Stadt dieses hölzerne Rad finden könnte, groß und alt und von Holzwürmern zernagt, wenn man nur gründlich genug danach suchte. Das Rad, das erste Rad, das für den Menschen von gleicher Tragweite gewesen war wie die Erbsünde.
    »Nein, das meine ich nicht, Junge. Auch nicht die Entdeckung des Feuers. Viel wichtiger war die Entdeckung, daß man die Nahrung mit Hilfe des Feuers kochen konnte, denn dadurch isolierten sich jene mageren, kleinen Menschen unbewußt von vielen Krankheiten. In rohem Fleisch leben nämlich Würmer, die du sonst beim Essen mitverschluckst und die in deinem Bauch weiterleben. Aber wenn man das Fleisch kocht oder brät, werden sie getötet. Auf diese Weise wurde eine ständige Gefahr beseitigt, welche die Gesundheit jener Lebewesen unterminierte - und zwar sowohl die geistige als auch die körperliche Gesundheit, denn diese beiden hängen zwangsläufig miteinander zusammen. Und der Stamm, der zuerst anfing, seine Nahrung abzukochen, war der einzige im ganzen Tierreich, der sich diesen Vorteil zunutze machte. Weil seine Angehörigen besser aßen, lebten sie auch in jeder Beziehung besser, und so geschah es, daß der Mensch sich über die anderen Tiere erhob.«
    »Aber heute essen wir nicht mehr gut, Meister. Ich habe immer Hunger.«
    »Wir leben heute nicht mehr gut! Das ist es, was mit dieser Welt nicht mehr stimmt. Wir mögen zwar alle gefährlichen Tiere ausgerottet haben, aber wir haben uns durch übermäßiges Essen und unkontrollierte Vermehrung selbst um unser Erbe gebracht, verstehst du ... Aber womit hatte ich angefangen?«
    Wenn man ihm nicht sofort das gesuchte Stichwort gab, geriet er in Zorn, und manchmal schlug er uns

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