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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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ganz vergessen, daß das Hotelzimmer im siebzehnten Stock lag.
    »Sie bringen mich einigermaßen in Verlegenheit, Mr. Noland«, sagte Mercator und setzte sich hin, so daß er mich genauso scharf prüfend beobachten konnte, wie er es schon einmal vor vielen Jahren in seinem nüchternen Büro getan hatte. »Ich habe zwar keine Ahnung, was Sie dazu bewegen hat, hier so einfach hereinzuspazieren, aber ich kann Sie leider nicht wieder weglassen, zumindest nicht vor morgen abend, wenn alles vorbei ist, und ich auf dem Rückweg nach England bin.«
    »Ich bin gekommen, um Ihnen zu erklären, daß ich völlig unschuldig in Ihre Angelegenheiten hineingerissen worden bin. Was Sie hier tun, ist mir völlig gleichgültig, das heißt - ausgenommen, soweit es Justine Smith betrifft.«
    Er zog eine Augenbraue hoch und sagte fast wehmütig: »Justine ...«
    »Ja, Justine. Ihre Geliebte.«
    Sein Gesicht war eingefallener, als ich es in Erinnerung gehabt hatte. Auch durch die Art, wie er sich hielt, wirkte er nicht nur älter, sondern auch krank. Tiefe Furchen zogen sich von der Nase fast bis zum Rand des Unterkiefers. Sie zeichneten sich noch schärfer ab, als er sagte: »Ich glaube Ihnen ohne weiteres, daß Sie sehr wenig über meine Organisation wissen - falls es das ist, was Sie meinen. Justine ist nicht in dem Sinn, wie Sie es glauben, meine Geliebte. Sie könnte es gar nicht sein, denn sie ist noch unberührt. Und das trifft auch auf mich zu.«
    Ich sagte aufgebracht: »Wenn das ein Witz sein soll ...«
    »Wahrscheinlich finden Sie es witzig, denn ich sehe, daß Sie ein Plebejer sind, aber ich rede hier von einer persönlichen Überzeugung; und auf dieser Überzeugung basiert unser ganzes gefährliches Unternehmen. - Justine!« rief er plötzlich.
    Justine kam aus einem Nebenzimmer herein. Sie sah so schön und kühl aus wie immer. Zum erstenmal bemerkte ich, daß sie hohe Backenknochen hatte, unter denen Schatten lagen, und in aufwallender Liebe überlegte ich, von welcher Rasse - oder von welchem Rassengemisch - sie wohl abstammen mochte. Sie ging zu Mercator hin, der sich erhoben hatte, und stellte sich neben ihn, ohne ihn jedoch zu berühren.
    »Mr. Noland stattet uns einen Besuch ab, Justine.«
    »Ich sagte dir ja, daß er kommen würde.«
    »Justine!« stieß ich hervor. »Erinnern Sie sich noch an das, was ich zu Ihnen sagte - und Sie haben mir erzählt, daß Sie Mercators Gefangene sind! Sie haben mich belegen!«
    Mit einem leichten Stirnrunzeln sagte sie: »Sie sind wirklich noch weit davon entfernt, die Situation zu begreifen, in die Sie hineingestolpert sind. Es stimmt nicht, daß ich Ihnen sagte, ich sei Peters Gefangene. Wenn ich sagte, daß ich eine Gefangene sei, meinte ich das im übertragenen Sinn, nämlich eine Gefangene der Notwendigkeit. Was wollen wir mit ihm machen, Peter?«
    Dieser Blick, den sie einander zuwarfen! So elend und abgehetzt beide auch aussahen, in diesem Blick lag restloses Vertrauen, ein Vertrauen, das mich unweigerlich ausschloß. Ich konnte es nicht mehr ertragen, sprang auf und sah Mercator voll ins Gesicht.
    »Sie erkennen mich nicht«, sagte ich zu ihm. »Warum sollten Sie auch? Wir sind uns vor vielen Jahren nur einmal kurz begegnet, und damals war ich durch die lange Gefangenschaft und die endlosen Verhöre so betäubt, daß ich für Sie nur einer der vielen armseligen Landarbeiter war, die man vor Ihren Schreibtisch schleppte. Für mich waren Sie damals der Farmer, und ich stand so tief unter Ihnen, daß ich nicht einmal Ihren Namen kannte. Jetzt stehe ich wieder vor Ihnen, aber diesmal bin ich bei klarem Verstand und lasse mich nicht wieder mit einer verächtlichen Geste abspeisen.«
    Er setzte sich wieder hin und stützte seine Stirn auf die Hand.
    »Wie oft habe ich geträumt, daß die Nemesis in der Gestalt eines Landarbeiters erscheinen würde«, sagte er sinnend. »Noland, Noland ... Waren Sie nicht der Mann, der gegen Jess den Wanderer aussagte?«
    Noch nach so vielen Jahren brannte mein Gesicht bei der Erwähnung jener Nacht der Schande. Er las in meiner Miene die Bestätigung seiner Worte und fuhr fort: »Und dachten Sie wirklich, daß ich Sie mit Verachtung behandelte? Im Gegenteil, ich tat für Sie, was ich konnte. Ich rettete Sie aus den Verliesen des Polizeigefängnisses. Habe ich Ihnen nicht sogar eine Arbeit besorgt?«
    »Sie schickten mich als überzähliges Mannschaftsmitglied auf die Trieste Star. Lange nachdem Sie meine Existenz vergessen hatten, arbeitete ich mich

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