Tod im Tauerntunnel
Der Mann rief an, ich glaube, es war an einem Freitag kurz vor Feierabend. Ja, ich weiß es noch ganz genau. Eigentlich hatte ich ins Theater gehen wollen, aber der Chef bat mich, noch zu bleiben, falls sein Gast noch etwas wünschte... Also der Mann rief an und sagte so etwa, melden Sie doch bitte Herrn Jarosewitch, daß ihn Alfons sprechen wolle. Alfons, nichts weiter? habe ich ihn gefragt. Er hat gelacht und gesagt: Das wird genügen!«
»War das vor oder nach dem Gespräch, das Sie über die Gegensprechanlage gehört haben?«
»Es war ein paar Tage vorher.«
»Könnten Sie den Mann beschreiben?«
»Ja... Er sah sehr gut aus. Vielleicht Anfang Dreißig; gut einsneunzig groß; schwarzhaarig, glattrasiert, sehr... sehr intensive Augen, wenn Sie verstehen, was ich damit meine.«
»Mhm, ich kann mir schon etwas darunter vorstellen.«
»Und er trug einen Anzug, der sehr teuer gewesen sein muß. Da stimmte alles, die Krawatte paßte zum Einstecktuch und zu den Socken. Die Schuhe müssen mindestens 200 Mark gekostet haben... Und er trug am linken Arm einen zusammengerollten Regenschirm, obwohl wir damals einen wolkenlosen Himmel hatten.«
»Sie haben aber nicht zufällig mitbekommen, was die beiden Herren beredet haben?«
»Nein. Ich mußte zwar Kaffee kochen und Brötchen herrichten, aber wenn ich den Raum betrat, schwiegen sie.«
»Hatten Sie den Eindruck, als ob die beiden gestritten hätten?«
»Nein; ich würde eher sagen, daß es eine ganz gepflegte Atmosphäre war.«
»So wie zwischen zwei guten Geschäftspartnern?«
»Ja...« Hannelore Schmiedinger zögert ein wenig und sagt dann: »Aber als dieser Mann gegangen war, schien mein Chef doch sehr erregt zu sein. Er lief im Zimmer auf und ab wie ein eingesperrtes Tier, sagte immer wieder: Sie können jetzt noch nicht weggehen, vielleicht brauche ich Sie noch! Aber er ließ mich dann nur noch eine Telefonverbindung herstellen.«
»Wissen Sie noch, mit wem?«
»Natürlich; ich habe mich nämlich sehr darüber gewundert: Er wollte mit seinem Schwager, Rechtsanwalt Bäuerle, verbunden werden.«
Bienzle läßt sich auf den Stuhl plumpsen. »Mit dem Mann also, den er absolut nicht ausstehen konnte?«
»Ja, darüber habe ich mich ja so gewundert.«
»Sie haben aber nicht zufällig gehört, was er mit Bäuerle sprach?«
»Nein. Er schickte mich weg. Vorher sagte er nur noch, mehr zu sich als zu mir: Wenn der glaubt, er kann mir in die Suppe spucken, dann täuscht er sich... Oder so ähnlich.«
»Mich würde interessieren«, sagt Bienzle nachdenklich, »ob Sie sich auf all das einen Reim gemacht haben.«
»Ich habe viel darüber nachgedacht«, sagt Hannelore Schmiedinger, »natürlich sind das alles nur Spekulationen, aber es könnte doch vielleicht sein, daß dieser Alfons einer von Jarosewitchs Partnern bei seinen komischen Nebengeschäften war und daß sich Herr Bäuerle in diese Geschäfte hineindrängen wollte. Ich komme darauf nur, weil mich Bäuerle einmal aushorchen wollte.«
»Ach ja?«
»Ich traf ihn einmal ganz zufällig - oder vielleicht auch nicht ganz so zufällig - im Theatercafé. Wenn ich ins Theater gehe, esse ich da meistens ... Er stand plötzlich an meinem Tisch. Ich kannte ihn doch nur ganz flüchtig; er tat aber so, als ob wir alte Freunde wären. Zuerst redeten wir nur ganz allgemeines Zeug, aber dann kam er langsam aber sicher auf meine Arbeit bei Jarosewitch zu sprechen. Er sagte solche Dinge wie ›Ihr Chef ist ja doch viel auf Reisen, da müssen Sie wohl das ganze Büro selber führen‹, oder ›wie ist das denn bei Ihnen, da kommen doch sicher viele Leute, die Ihrem Chef Angebote machen ?‹ Lauter komische Fragen, auf die ich ihm keine Antworten geben wollte... Er versuchte es dann noch mit Charme, wollte mich nach dem Theater abholen und einladen und so weiter...«
»Wie weiter?« fragt Bienzle bissig. Er ärgert sich ungeheuer über diesen zudringlichen Kerl.
»Sie kennen das doch - wie man halt versucht, eine Frau rumzukriegen.«
Bienzle steht auf und starrt auf das schmale Gesicht hinab.
»Warum gucken Sie mich denn so an?« Hannelore Schmiedinger lächelt. »Ich kann doch nichts dafür!«
»'tschuldigung«, sagt Bienzle, »mir gefällt die Vorstellung nicht, daß Sie und der Kerl...«
Jetzt lacht sie, verzieht aber gleich darauf das Gesicht: »Lachen ist bei mir noch nicht drin.«
Die Schwester kommt wieder herein und sagt: »Sie können nicht länger bleiben; Fräulein Schmiedinger braucht Schonung.«
»Aber
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