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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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bereits wieder gehen, als etwas Gleißendes seine
Aufmerksamkeit gefangen nahm.
    Es lag vor dem Tor des Lagerhauses. Er ging darauf zu,
bückte sich und hob es auf. Es war ein in Silber gefasstes
Amulett, das eine Hand darstellte. Der Daumen steckte zwischen
Zeigefinger und Mittelfinger. Ein Amulett gegen den bösen
Blick.
    Ein Amulett, wie Dulcken derer viele an seiner Kleidung
trug.

 
SECHSUNDZWANZIG
     
     
    »Das bedeutet nichts Gutes«, sagte Elisabeth
leise, nachdem sie Andreas’ Geschichte gehört hatte.
Sie unterhielten sich gedämpft in der Sakristei von Sankt
Kolumba, denn sie wollten Pfarrer Hülshout aus dem Weg
gehen. Der alte Priester hatte die beiden Frauen empfangen, als
Grete sie gerade nach oben führen wollte, und ihnen nahe
gelegt, endlich das Pastorat zu verlassen. Ihre Anwesenheit sei
unziemlich und lenke Andreas Bergheim von seinen Pflichten ab.
Elisabeth und Anne hatten daraufhin vor der Tür auf Andreas
gewartet. Zur Besprechung des weiteren Vorgehens hatten sie sich
in die Sakristei zurückgezogen.
    Der beinahe quadratische Raum wurde von einem
Kreuzrippengewölbe getragen, das auf einer einzigen
stämmigen Säule ruhte. Er war in Dunkelheit getaucht;
nur eine Kerze auf dem Tisch, auf dem einige der Paramente
ausgelegt waren, spendete etwas Licht. Golden glänzten
Kelche und Ziborien, Beschläge von Messbüchern und die
Stickereien der Gewänder. Der Kerzenschein flackerte
über ein kleines Altarbild auf dem Tisch, das vor einem
ruhigen Goldgrund die zart gemalte Begegnung von Maria und
Elisabeth darstellte.
    Elisabeth warf einen Blick auf das Bild, das von unirdischem
Glanz erhellt schien, und dachte daran, wie das Kind im Leib der
alten Frau gehüpft war, als es die Nähe des
Erlösers spürte. Sie schluckte. Nie würde sie ein
solches Gefühl erfahren. Andreas’ Worte rissen sie aus
ihren Gedanken.
    »Es war bestimmt eines von Dulckens Amuletten. Ich
glaube mich an es zu erinnern. Ich fand es obszön«,
sagte der junge Geistliche. »Es ist schlimm, dass dieses
Zauberwerk immer noch so sehr unter den Leuten verbreitet
ist.«
    »Alle Spuren scheinen im Leyendecker’schen Haus
zusammenzulaufen«, sagte Anne.
    »Ja«, pflichtete Elisabeth ihr bei. »Wir
müssen…«
    »Gar nichts musst du!«, donnerte eine Stimme
hinter ihr. Niemand hatte den Eindringling kommen sehen. Alle
drei drehten sich gleichzeitig um.
    In der geöffneten Tür stand, rund und groß,
eine Gestalt, die eine Laterne in der Hand hielt. Deren Licht
machte die Person zu einem ungeschlachten Schatten. Doch
Elisabeth musste sie nicht erkennen, um zu wissen, wer sie
war.
    »Heinrich!«, entfuhr es ihr.
    »Ja, ich bin es, dein Gemahl, du untreue Hure!« Er
machte einen schnellen Schritt auf Elisabeth zu, doch Andreas
stellte sich ihm sofort in den Weg.
    »Was willst du, Pfaffe? Geh fort, du hast hier nichts zu
suchen«, polterte Heinrich Bonenberg. Nun stand Andreas so
nahe vor ihm, dass er das Wams deutlich sehen konnte, das sich
über den enormen Bauch spannte, und das Antlitz, das zu
einer Maske des Hasses geworden war. Das Licht aus der Laterne
warf Schatten auf sein breites Gesicht.
    »Im Gegenteil«, erwiderte Andreas ruhig.
»Ihr seid es, der hier nichts zu suchen hat. Das hier ist
das Haus Gottes.«
    »Es ist das Haus des Teufels, denn es beherbergt einen
Teufel – oder besser gesagt, eine Teufelin!«, schrie
Bonenberg und versuchte, Andreas beiseite zu schieben. Dieser
wehrte sich und streckte abwehrend die Arme aus.
    »Beherrscht Euch!«, sagte er mit kalter,
schneidender Stimme. Tatsächlich blieb Heinrich Bonenberg
stehen und schaute den jungen Geistlichen an, als sei dieser ein
seltenes, möglicherweise gefährliches Tier. Andreas
fuhr fort: »Ich habe gehört, was Ihr Elisabeth angetan
habt. Wenn Ihr nicht wollt, dass Ihr in arge Schwierigkeiten
kommt, solltet Ihr diesen geweihten Boden jetzt
verlassen.«
    Bonenberg trat einen Schritt zurück, und die Schatten
umschlossen ihn wieder. »Ich gehe nicht ohne meine
Frau.«
    »Dann wirst du wohl für ewig hier bleiben
müssen«, meinte Elisabeth ungerührt und stemmte
die Hände in die Hüften. Sie war stolz auf das mutige
Verhalten des Priesters. Sie hatte sich nicht in ihm
getäuscht.
    Bonenberg lachte auf, aber es klang gepresst. »Ich werde
dich bis zu meinem Haus prügeln, wenn es sein muss. Ich
werde dir jeden Knochen im Leib einzeln brechen, wenn es sein
muss. Ich werde dich an den Haaren

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